20.06.2016 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

3D-Druck: Eine haarige Sache

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Wissenschaftler am Media Lab des MIT haben eine Möglichkeit gefunden, einen wichtigen Design-Schritt im 3D-Druck zu umgehen, um schnell und effizient tausende individueller Haare zu modellieren und zu drucken. Anstatt eine konventionelle CAD-Software dafür zu nutzen, was Stunden an Rechenzeit bedeuten würde, hat das Team eigens eine Softwareplattform entwickelt, die Anwender Winkel, Dicke, Dichte und Höhe Tausender Haare in nur wenigen Minuten definieren lässt.

Dieser Tage mag es so aussehen, als ob 3D-Drucker alles liefern könnten, von einem Sportwagen im Originalmaßstab, über Nahrungsmittel bis hin zu menschlicher Haut. Doch einige Dinge haben sich der Technologie bisher widersetzt, zum Beispiel Haar, Fell und andere dichte Bereiche extrem feiner Strukturen, die eine enorme Rechenzeit und -leistung erfordern, um sie zu erstellen und dann zu drucken.

Nun haben Wissenschaftler am Media Lab des MIT eine Möglichkeit gefunden, einen wichtigen Design-Schritt im 3D-Druck zu umgehen, um schnell und effizient tausende individueller Haare zu modellieren und zu drucken. Anstatt eine konventionelle CAD-Software dafür zu nutzen, was Stunden an Rechenzeit bedeuten würde, hat das Team eine Softwareplattform namens Cilllia entwickelt, die Anwender Winkel, Dicke, Dichte und Höhe Tausender Haare in nur wenigen Minuten definieren lässt.

Mit der neuen Software haben die Wissenschaftler Anordnungen von Haar-ähnlichen Strukturen mit einer Auflösung von 50 Mikron geschaffen, also ungefähr der Dicke menschlichen Haars. Sie haben verschiedene Größenordnungen ausprobiert und von groben Bürsten bis zu feinem Fell verschiedene Arrangements sowohl auf flachen als auch unebenen Oberflächen entworfen und anschließend mit einem konventionellen 3D-Drucker gedruckt.  Die Ergebnisse wurden in einem Paper an der Association for Computing Machinery’s CHI Conference on Human Factors in Computing Systems im Mai vorgestellt.  

Ließe sich das Verfahren verwenden, um Perücken oder Extensions zu drucken? Vielleicht, sagen die Forscher. Aber das ist nicht ihr Ziel. Vielmehr wollen sie untersuchen, inwiefern 3D-gedrucktes Haar nützliche Aufgaben als Messfühler, in der Verbindungstechnik oder als Antrieb übernehmen könnte.

Um die Haftung zu demonstrieren hat die Gruppe Pads gedruckt, die mit ihren Borsten ähnlich wie ein Klettverschluss funktionieren. Abhängig vom Winkel der Borsten können die Pads mit unterschiedlichen Kräften aneinander haften. Für das Abtasten konstruierten die Wissenschaftler eine kleine, pelzige Kaninchenfigur mit LEDs, die aufleuchteten, wenn das Kaninchen in bestimmten Richtungen gestreichelt wurde. Und um zu sehen, ob das 3D-gedruckte Haar Objekte bewegen kann, hat das Team einen Sortiertisch, bestehend aus Tafeln gedruckten Haars mit spezifischen Winkeln und Höhen. Mit einer kleinen Vibration konnten die Haare, basierend auf Gewicht und Vibrationsfrequenz, Münzen über den Tisch bewegen.

Jifei Ou, Graduate Student in Media Arts and Sciences, sagt, dass die Arbeit von haar-ähnlichen Strukturen in der Natur inspiriert sei, die wie im Falle menschlichen Haars Vorteile wie Wärme oder Bewegung im Falle der Zilien böten, die Staub aus den Lungen beförderten.

Ou ist Lead-Autor des Papiers, an dem auch die Graduate Students Gersho Dublon unf Chin-Yi Cheng; Felix Heibeck, wissenschaftlicher Assistent, Hiroshi Ishii, Jerome B. Wiesner Professor in media arts and sciences; und Karl Willis von Addimation, Inc., beteiligt sind.

Herausforderungen für die Software

Die Auflösung heutiger 3D-Drucker sei schon ziemlich hoch, konstatiert Ou. Doch man habe diese Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Das Team hat nach Dingen gesucht, die die Grenzen des 3D-Drucks ausloten, und Haar hat sich als perfektes Material dafür herausgestellt. Die Herausforderung lag jedoch auf der Software-Seite.

Um mit der bestehenden Software Haar in 3D zu drucken, würden die Designer das Haar im CAD-Programm modellieren müssen, indem sie jede einzelne Strähne individuell zeichnen und dann die Zeichnung in ein Slicer-Programm exportieren, das die Haarkonturen als trianguliertes Gittermodell abbildet. Das Programm würde dann Querschnitte des Gitternetzes erzeugen und jeden Querschnitt in ein Bitmap übersetzen, das der Drucker dann als entsprechende Schicht ausgeben kann.

Ein briefmarkengroßes Feld von 6‘000 Haaren würde, was das Design angeht, mit dieser Vorgehensweise mehrere Stunden in Anspruch nehmen, betont Ou. Und der Slicer würde beim Hochladen der Datei abstürzen.

Haar-Pixel

Um Haar zu modellieren, haben die Forscher komplett dem CAD entraten. Vielmehr haben sie eine neue Softwareplattform entwickelt, um zuerst ein einzelnes Haar und dann einen Bereich von Haaren zu erzeugen und schließlich die Bereiche auf flache und wellige Oberflächen zu drucken. Ein einzelnes Haar wird als langgestreckter Kegel dargestellt. Das ist ein Stapel von Pixeln, der sich von der Basis zur Spitze immer weiter verjüngt. Um Abmessungen wie Höhe, Winkel und Dicke zu verändern, wurden einfach die Pixel im Kegel neu angeordnet.

Um dann auf tausende Haare hochzuskalieren, nutzten Ou und seine Gruppe Photoshop mit einem Farb-Mapping-Verfahren, wobei jede der drei Farben rot, grün und blau für einen der drei Parameter Höhe, Dicke und Winkel steht. Ein runder Fleck mit Haar mit größeren Strähnen am Rand erfordert zum Beispiel, einen roten Kreis zu zeichnen und die Farbe zum Rand hin zu dunklerem Rot übergehen zu lassen, was längere Haare repräsentiert. Dann hat das Team einen Algorithmus entwickelt, der die Color Map in das Modell eines Haarbereichs umzuwandeln, das es dann an den 3D-Drucker weiterleiten konnte. Mit diesen Verfahren entstanden Pads mit Borsten wie an einem Klettverschluss und Farbbürsten mit verschiedenen Texturen und Dichten.

Auf gewellten Oberflächen

Das Drucken von Haar auf gewellten Oberflächen hat sich als schwieriger herausgestellt. Dafür hat das Team zunächst eine CAD-Zeichnung einer gewellten Oberfläche importiert, etwa das kleine Kaninchen, und dann einen Slicer damit gefüttert, der aus der Form des Kaninchens ein Gitternetz erzeugen konnte. Dann hat man einen Rechenweg entwickelt, um das Zentrum der Basis jedes Dreiecks zu lokalisieren und dann lotrecht zur Basis eine Linie herauszuziehen, die ein einzelnes Haar darstellt, und das dann für jedes Dreieck des Gitternetzes. Am Ende steht ein dichtes Haarkleid, das senkrecht aus der Oberfläche des Kaninchens hervorsprießt. Dann kamen die erwähnten Farb-Mapping-Verfahren zur Anwendung, um die Dicke und Steifigkeit des Haars anzupassen.

 

Bild: Ein Beispiel für 3D-gedruckte, haar-ähnliche Strukturen. CREDIT: Courtesy of Tangible Media Group/MIT Media Lab


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