24.11.2022 – Kategorie: Hardware & IT

AR-Anwendung: So werden Geräte erlebbar

AR-AnwendungQuelle: Rose Systemtechnik

Einfach ausprobieren und direkt erkennen, wie ein Gerät im Einsatzumfeld wirkt und ob es optisch und von seinen Dimensionen perfekt passt. Mit Augmented Reality (AR) funktioniert die Kombination aus digitaler und realer Welt auch im Industriebereich hervorragend: Rose Systemtechnik lässt Anwender über ihr Handy oder ihr Tablet erleben, wie die Panel-PCs des HMI-Spezialisten an ihren Maschinen aussehen.

Wir erinnern uns: Zum Jahresende 2021 war das Messegeschehen für die deutsche Industrie zum völligen Stillstand gekommen. Rose Systemtechnik war, wie viele Anbieter, mit der recht kurzfristigen Absage der wichtigsten Fachmesse SPS in Nürnberg konfrontiert. Doch der HMI-Spezialist aus Porta Westfalica war vorbereitet. Denn die Verantwortlichen hatten bereits im Vorfeld der Messe auf eine AR-Anwendung zur Visualisierung ihrer HMI-Monitore und Panel-PCs gesetzt. Derart digital gerüstet, konnten und können Vertriebsgespräche sehr effizient und erfolgreich virtuell umgesetzt werden.

AR-Anwendung für den perfekten Überblick

Mithilfe einer einfachen Augmented-Reality-Anwendung (AR), die auf Android- und iOS-Geräten über Links oder QR-Codes als Browser-AR funktioniert, bringt Rose Systemtechnik seine HMI-Produkte direkt in die Werkshallen seiner Kunden und Interessenten. Diese können die Produkteigenschaften per Smartphone oder Tablet direkt erfassen und virtuell ausprobieren, wie sich die Gehäusesysteme und HMI-Lösungen ins Einsatzumfeld und die eigenen Maschinen einfügen.

Was für den Einsatz von Augmented Reality sprach

Die Entwicklung und Anwendung von AR war für Rose ein logischer Schritt. Jahre zuvor hatte das Unternehmen Messebesucher bereits mit einem Virtual-Reality-Erlebnis begeistert, die den Fertigungsprozess eines Gehäuses aus Sicht des Gehäuses durch die VR-Brille nachvollziehen konnten. Doch die Aufwände blieben groß, vor allem in Relation zur beschränkten Zahl möglicher Nutzer, weil kaum jemand selbst über eine VR-Brille verfügt.

Außerdem suchte Rose nach einem Weg, die relativ hohen Kosten für den Bau physischer Produkt-Prototypen zu reduzieren. VR bot hierfür keine Lösung. Einstweilen war das Unternehmen allerdings auf Cynapsis Interactive in Münster aufmerksam geworden und von deren AR-Entwicklungen begeistert.

„Diese ebenso einfache wie wirkungsvolle Kombination digitaler Inhalte mit realer Umgebung und schafft einen wirklichen Mehrwert für den Nutzer“, ordnet Marketingleiterin Katharina Lange ein. „Wir fanden das auf Anhieb spannend, denn AR passt gut zu unserer Unternehmensphilosophie, ist zeitgemäß, technisch ausgereift und individuell konfigurierbar. Viele gute Ansatzpunkte, diese Möglichkeiten auf unsere Produkte zu übertragen.“ Innerhalb des Unternehmens und der Phoenix Mecano-Gruppe stieß das AR-Projekt auf positive Resonanz und die Entscheidung fiel schnell, probeweise eine AR-Anwendung zu programmieren.

Basis dafür war eine kundenspezifische Panel-PC-Lösung, die Rose für ein Maschinenbau-Unternehmen konstruiert hatte. Anhand der CAD-Daten erstellte Cynapsis ein AR-Erlebnis, bei dem das Rose Produkt, ein Panel-PC, in 100 Prozent Originalgröße auf einem Smartphone oder Tablet angezeigt visuell direkt am richtigen Ort an der eigenen Maschine oder Anlage integrieren lässt. So kann der Nutzer testen, wie der Panel-PC an seiner Maschine aussieht. Eine spezielle App braucht er nicht, da die AR-Modelle browserbasiert sind. Die Anwendung ist „ready to use“.

Für die Nutzung ist lediglich ein handelsübliches Smartphone oder Tablet erforderlich, über das buchstäblich alle verfügen. Mit diesem wird ein QR-Code gescannt oder auf der mobilen Website ein Link geklickt. Anschließend öffnet sich direkt im Internet-Browser des mobilen Geräts ein Fenster, und das ausgewählte Rose Produkt erscheint als virtuelles Abbild in Originalgröße im Bild der Handykamera. Nun kann das virtuelle Produkt vom Anwender einfach gedreht oder auf dem Boden so verschoben werden, um es passgenau am geplanten Platz an der Maschine zu positionieren. Der Nutzer kann jetzt einfach und völlig frei um die Szene herumgehen und sie in allen Details betrachten.

Vorteile und Effekte der AR-Anwendung

Schon aus der ersten Programmierung und Anwendung ergaben sich zahlreiche Vorteile, die HMI-Gesamtbereichsleiter Nils Stello so benennt: „AR lässt sich schnell aufbauen, ist simpel anzuwenden und erleichtert die Präsentation neuer Modelle. Die Nutzung funktioniert einfach und gut, weil die Einbindung via Link oder QR-Code aus anderen Medien längst gelernt und alltäglich ist.“

AR-Anwendungen können die Anbahnungsphase bis zum Vertragsabschluss deutlich beschleunigen. „Normalerweise werden bei jedem Auftrag mehrere physische Prototypen gebaut. Da dauert allein die Materialbeschaffung aktuell 16 bis 18 Wochen, wobei die angespannte Materialversorgungslage den Bau physischer Prototypen zusätzlich kompliziert macht. Eine AR-Modell ist dagegen meist in weniger als zwei Wochen erstellt und optimiert.“ Hinzu kommt, dass physische Prototypen je nach Ausstattung bis zu 15.000 Euro kosten können, AR ist deutlich günstiger.

„Natürlich ersetzt AR keinen realen Prototypen, weil man die Produkte irgendwann einfach anfassen können muss, um sie beurteilen zu können“, ergänzt Nils Stello. „Eine AR-Anwendung ermöglicht allerdings, die Zahl der physischen Prototypen zu minimieren und dadurch den Entwicklungsprozess deutlich zu verkürzen – eben weil viele Entscheidungen bereits im Vorfeld am AR-Prototypen geklärt werden können.“

Auch im wichtigen Sales-Bereich lagen die Vorteile klar auf der Hand. Denn AR-Anwendungen vereinfachen auch die Produktpräsentationen über große Distanzen. Der Außendienst muss nicht mehr einen Transporter mit Mustern beladen, sondern stellt dem Kunden für das erste Gespräch – an dem auch technische Experten teilnehmen können – einen QR-Code oder eine E-Mail mit einem Link zur Verfügung. Der Kunde kann das Produkt dann jederzeit auf seinem mobilen Gerät in AR ansehen und virtuell an der gewünschten Maschine platzieren. Ein physischer Prototyp bietet diese Flexibilität nicht und lässt sich auch nicht für andere Kunden modifizieren, ein AR-Modell auf jeden Fall.

Alle Produktvarianten zeig- und verfügbar

Gerade angesichts der ausgefallenen Messen von entscheidendem Vorteil ist, dass Produkte per AR-Anwendung auch in hybriden Messesituationen präsentiert werden können. Mit dem Vorteil, dass – anders als bei einer Präsenzmesse – alle gewünschten Produktvarianten zeig- und verfügbar sind. Kunden, die nicht anreisen können oder dürfen, bekommen so ein anschauliches und greifbares Produkterlebnis, mit der ausgewählten Materialbeschaffenheit.

Darüber hinaus ist AR für die Auslandsniederlassungen von Phoenix Mecano eine große Erleichterung, da sie das gesamte Produktportfolio präsentieren müssen. Augmented Reality reduziert für sie den logistischen Aufwand bei Kundenterminen deutlich, weil sie nun einen Teil der Produkte virtuell per Tablet zeigen können. „Auch für die Umwelt ist AR ein Fortschritt, weil wir einen Teil der Kundenbesuche statt vor Ort remote durchführen können“, fasst Produktmanager Tobias Büsching zusammen.

Wie es weitergeht

Bisher wurden kundenspezifische Lösungen und zwei anwendungsspezifische HMI-Lösungen – das Steuergehäuse SL 5000 und der Panel-PC S-Line Gen.5 – als AR-Modelle aufbereitet. Rose stellt diese über QR-Codes in E-Mail-Signaturen und das LinkedIn-Profil des Unternehmens zur Verfügung.

Als nächstes will Rose seine Tragarmsysteme als AR-Modelle visualisieren. „Das ist ein Baukasten mit Auslegern, die sehr unterschiedliche Dimensionen haben“, erläutert Produktmanager Tobias Büsching. „Mit AR können wir das sehr anschaulich darstellen. An der bloßen Auflistung der einzelnen Komponenten erkennt der Anwender nämlich nicht, welche Aufbauten und Kombinationen möglich sind.“

Im Moment sind Messen wieder möglich. Und die Möglichkeiten von Augmented Reality werden auch dort genutzt. Jetzt vor allem, um Messekontakte nachzubereiten und Produktvarianten zu zeigen. War die entfallene SPS 2021 der entscheidende Impuls für Rose Systemtechnik, AR mit Nachdruck zum Einsatz zu bringen, fand die Fachmesse gerade erstmals wieder in Präsenz statt. Der HMI-Spezialist aus Porta Westfalica konnte auch vor Ort in Nürnberg viele Besucher mit den AR-Anwendungen zu seinen Produkten überzeugen und begeistern.

Details zur Entwicklung und Umsetzung der AR-Anwendung

  • Für die Einführung mussten das richtige CAD-Austauschformat gefunden und die Materialien und Farben als Referenzen definiert werden. Weitere Herausforderungen gab es nicht.
  • In der Umsetzung werden bestehende CAD Daten für den Einsatz von AR auf Smartphones optimiert: Oberflächen (in CAD-Programmen oft nur Farben) werden mit Materialeigenschaften (z.B. „gebürsteter Stahl“) versehen, nicht sichtbare Teile werden zur Optimierung von Anzeige und Dateigewicht entfernt.
  • Für die Aufbereitung der Daten hat Cynapsis Interactive eine spezielle Produktions-Pipeline entwickelt, die je nach CAD-Modell unterschiedliche Tools beinhaltet, um die 3D-Modelle und Oberflächen optimal wirken zu lassen.
  • Der Schulungsaufwand für Mitarbeiter beschränkte sich auf eine kurze Online-Schulung mit Tipps für die Einbettung in die eigenen Medien und Sales-Abläufe sowie die Gesprächsführung mit den Kunden.
Bild: Cynapsis Interactive

Der Autor Marcus Veigel ist Gründer und Geschäftsführer der digitalen Kreativagentur Cynapsis Interactive. Er ist im Vorsitz der Digitalagenturen im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), zudem Speaker und Moderator auf digitalen Events, Juror und Dozent. Seit 2018 entwickelt er mit einem neuen Team AR-Lösungen für die Industrie – vom einfachen AR-Viewer bis hin zum interaktiven Produktkonfigurator mit klarem Schwerpunkt auf die Ausspielung von AR-Inhalten in Smartphones und Tablets.


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