29.06.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping
Automatisiertes Laserauftragsschweißen: Reparieren statt neu produzieren
Im Fokus eines Workshops beim Open House 2022 der Chiron Group stand die Automatisierung von Reparatur-Prozessen mit Laserauftragsschweißen.
- Geht es darum, Formen und Komponenten zu reparieren, statt neu zu produzieren, ist das Laserauftragsschweißen (Laser Metal Deposition/LMD) eine bewährte Schlüsseltechnologie.
- Im Fokus des Workshops »reFORM« beim Open House 2022 der Chiron Group stand die Automatisierung von LMD-Reparatur-Prozessen.
- Dabei hat sich gezeigt: So ganz einfach ist das nicht. Aber wer es umzusetzen weiß, gewinnt Zeit, spart Kosten und – handelt ausgesprochen nachhaltig.
Eigentlich ist es wie beim Zerspanen, nur funktioniert Laserauftragsschweißen (LMD) genau andersrum. Statt Material wegzunehmen, wird es aufgetragen. Mittels Pulver oder Draht, oder beides in Kombination. Was bei einem der Vorschub und Schnitttiefe ist, ist beim anderen Auftragsrate und Schichtdicke. Wo der eine sein Werkstück kühlt, heizt der andere es auf. Jedenfalls gilt es, das Bauteil in geforderter Qualität und Wirtschaftlichkeit zu produzieren– mit den immer wichtigeren Zusatzkriterien „energetisch nachhaltig“ und „Ressourcen schonend“.
Prozesstechnologie Laserauftragsschweißen – automatisiert reparieren
Mit dem Ziel vor Augen über Voraussetzungen und Möglichkeiten automatisierter LMD-Prozesse zu sprechen, war geballte Expertise beim Workshop »reFORM« der Chiron Group in Tuttlingen vertreten. Ein sehr anschauliches Bild zur Motivation, sich dieser Herausforderung zu stellen, gab Cedric Bardenhagen, Key Account Manager bei der Siemens AG, in seinem Vortrag über die Programmierung additiver Fertigungsprozesse: Ein neu produziertes Zahnrad mit Ø 500 mm und 230 kg Gewicht bedarf knapp 2’000 kW/h in seiner gesamten Produktionskette. Für die Stahlproduktion und das Schmieden der Form sind das 90 Prozent der Energie, für Zerspanung und Nachbehandlung die restlichen zehn Prozent.
Ein aus recyceltem Stahl produziertes Zahnrad verbraucht im Vergleich „nur“ noch 39 Prozent der Herstellenergie. Wenn man so ein Rad jetzt mit einem automatisierten LMD-Prozess repariert, benötigt man lediglich noch 17 Prozent der Energiemenge eines neuen Rades, respektive 42 Prozent zu einem recycelten, um mit dieser wieder in Form gebrachten Komponente beispielsweise ein Windrad zum Laufen zu bringen. Reparieren mit additiver Fertigung ist also positiv für die Klimabilanz.
Materialien und Schweißen – das ist Wissenschaft
Doch am Anfang des Prozesses steht immer das Material. Für Formen und Werkzeuge braucht es in der Regel hitzebeständige Chromstähle. Die Beanspruchungen, denen ein Umformwerkzeug unterliegt, können sehr unterschiedlich sein. Ob das ein Schmiedewerkzeug für die Herstellung einer Generatorwelle mit 250 Tonnen Eigengewicht ist oder eine Kegelwalze für die Produktion von nahtlosen Ringen – die auftretenden Belastungen unterscheiden sich zum Teil grundlegend. Dies hat Dr. Michael Nolde, in der Geschäftsleitung der Capilla Schweißmaterialien GmbH, am Beispiel einer vollautomatisierten Schmiedeanlage vom Schmiederohling bis zum Fertigteil aufgezeigt. Um Form und Werkzeug verschleißbeständiger zu machen, werden mittels verschiedener Schweißverfahren, beanspruchungsgerechte Schutzschichten aus Eisen-, Kobalt oder Nickellegierungen aufgebracht.
Was man bei der Herstellung von Neuwerkzeugen, aber auch bei deren Reparatur im verschlissenen Zustand, zum Beispiel Ausbrüche und abgenutzte Stanzflächen, materialseitig und verfahrenstechnisch zu beachten hat, ist in der Tat eine Wissenschaft für sich. Allerdings lässt sich nur so eine gute Form- und Werkzeugqualität erzielen – lange Standzeiten sind die Folge. Bestenfalls übertreffen diese sogar die von ungeschweißten Neugesenken. Diese Erkenntnis stellen ein unabdingbar wertvolles Wissen für die erfolgreiche Umsetzung von automatisierten Prozessen im Laserauftragsschweißen dar.
AM Cube: Multifunktionale Anlage für automatisierten LMD-Prozess
Dieses Wissen über die Materialeigenschaften bei Schweißprozessen haben das Team Additive Manufacturing der Chiron Group, die Gastgeber des Workshops, für die Entwicklung des AM Cube genutzt. Bei der heute sehr großen Materialvielfalt ist die Flexibilität der Anlage ein wichtiges Kriterium für einen automatisierten LMD-Prozess. Denn so viele Formen und Konturen, so viele Materialien sind in der täglichen Praxis im Einsatz, dass die einfach und schnell wechselbaren Auftragsköpfe der Anlagen sinnvoll sind– bis zu drei sind möglich. Einmal ist Pulver das bevorzugte Schweißmaterial, einmal Draht – der Anwender hat alle Optionen.
Dominik Hipp, Leiter Werkzeugbau bei der Hammerwerk Fridingen GmbH, ist so ein Anwender, verantwortlich für die Produktion von Gesenken und Werkzeug, um eine Tagestonnage von rund 200 Tonnen gewährleisten zu können. Zusammen mit der Chiron Group arbeitet er an mehreren Projekten, unter anderem an der Reparatur von Schnittringen. „Das automatisierte Schweißen auf dem AM Cube erfüllt unsere Qualitätsanforderungen und steigert die Standzeit um den Faktor 2,5 bis 3.“ berichtet Hipp in seiner Präsentation. „Ausschlaggebend, die LMD-Reparatur zu automatisieren, war auch die Tatsache, dass man für das manuelle Schweißen kaum noch qualifizierte Fachkräfte findet. Jetzt wo der automatisierte Prozess steht, ist es wichtig, die Mitarbeiter in den automatisierten LMD-Prozess einzuführen und dafür zu begeistern, um in Zukunft noch mehr Formen zu reparieren und damit unsere Produkte wie auch unsere Klimabilanz zu verbessern,“ so Dominik Hipp.
Basiswissen, Steuerung und digitale Systeme kombiniert
„Prozesskontrolle und Dateneffektivität sind bei automatisierten LMD-Lösungen ein Muss“, davon ist Till Oeschger, Projekt Manager AM Cube bei der Chiron Group, überzeugt. Warum er so denkt, so denken muss, zeigt sich besonders deutlich in der Präsentation von Prof. Dr. Hadi Mozaffari-Jovein, Werkstoffwissenschaftler an der Hochschule Furtwangen Universität. Was die Teilnehmenden des Workshops im Vortrag erkannt haben, war die Komplexität des Themas: Von den physikalischen, chemischen und mechanischen Anforderungen an Werkzeug und Werkstoff bis zum Laserauftragsschweißen für graduierte Legierungen. Da kommen viele Faktoren zusammen und somit auch Parameter und Daten zusammen, die in der Konstruktion des Bauteils verwendet werden müssen, um automatisierte LMD-Prozesse sicher und reproduzierbar zu machen.
Wertvoll sind diese Daten auf mehreren Ebenen. Mit Siemens NX CAM lassen sich mit den Anlagen- und Werkstückdaten die Bearbeitungsabläufe komfortabel programmieren und mit Hilfe des digitalen Zwillings vorab simulieren. Ein fehlerfreies und bereits optimiertes Programm kann 1:1 auf die Anlage übernommen werden. „Der Aufwand für die CAD-/CAM-Programmierung liegt für einen Schnittring bei gut 90 Minuten und das ist schnell“, betont Quentin Leibinger, Application Engineer AM bei der Chiron Group. Auch während der Bearbeitung auf der realen Maschine spielen Daten eine wichtige Rolle.
Produkt- und Prozessqualität sicher beurteilen
Alle relevanten Prozessdaten werden über zwei neue digitale Systeme der CHIRON Group erfasst. Via DataLine AM lassen sich alle relevanten Prozessdaten kontinuierlich live darstellen, aufzeichnen und in einem kompakten Qualitätsreport dokumentieren. Produkt- und Prozessqualität sind so sicher zu beurteilen. VisioLine AM andererseits visualisiert und speichert Videodateien, die über mehrere Kamerasysteme erfasst werden. Einmal eingegebene Parameter und Toleranzen dienen als Referenz, und im Fall von Abweichungen kann man sofort gezielt eingreifen — ein großes Plus für den Werker. Die kontinuierliche Sammlung und Analyse der Daten hilft dabei, den idealen Prozess zu definieren, sind sich Leibinger und Oeschger einig.
Laserauftragsschweißen: Eine Turnkey-Lösung – Knopf drücken und starten
Wenn man ein Fazit zum Workshop ziehen möchte, dann dieses hier: Der Aufruf „Reparieren, nicht neu produzieren!“ mit automatisiertem Laserauftragsschweißen ist sicherlich nicht leicht umzusetzen. Doch nicht anders als beim spanenden Prozess auch, entstehen aus Technologiepartnerschaften, dem Expertenwissen mit dem Finger am Puls der Praxis und schließlich den Erfahrungen aus gemeinsamen Projekten neuartige Lösungen.
Bild oben: Die automatisierte Reparatur von Schnittringen mit Laserauftragsschweißen in der Anwenderpraxis. Das Ergebnis – deutlich weniger Materialeinsatz und eine 3-fach höhere Standzeit. Bildquelle: Chiron Group
Weitere Informationen: https://chiron-group.com/
Erfahren Sie hier mehr über den 3D-Metalldrucker AM Cube.
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