04.05.2022 – Kategorie: Architektur & Bau

BIM-Standards: Die Vor- und Nachteile von VDI 3805 und ETIM

BIM-StandardsQuelle: shutterstock

Wenn sich Experten in Sachen BIM treffen, geht es oft darum, welcher Standard bei BIM seine Berechtigung hat, wie sich VDI 3805 und ETIM voneinander unterscheiden und Doppelungen vermeiden lassen. Ein genauerer Blick auf die Vor- und Nachteile des jeweiligen Standards zeigt, was dieser in Zusammenhang mit BIM jeweils leistet.

BIM-Standards im Vergleich: Im Fokus jedes BIM-Prozesses steht das 3D-Gebäudemodell. Es wird von allen Gewerken gleichmäßig genutzt und fortlaufend mit den gewerkspezifischen Daten angereichert. Architekten und TGA-Fachplaner benötigen konkrete Produktdaten der Hersteller, um die technische Gebäudeausrüstung mit BIM zu planen, beispielsweise Daten für die Komponenten des Heizsystems, für Trinkwasser und Abwasser. Diese Informationen lassen sich in Computerprogramme einlesen und den Nutzern für Berechnungen und Kostenermittlungen verfügbar machen. Dann schlägt die Stunde der VDI 3805. (Bild 1)

BIM-Standards: Daten nach VDI 3805

Experten haben die VDI-Richtlinie 3805 unter dem Titel „Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA)“ vor etwa 20 Jahren definiert, um Produktdaten von Herstellern computerlesbar zu machen. Sie beschreibt ein maschinenlesbares Format, mit dem sich herstellerspezifische technische Produktkataloge, die bisher ausschließlich in gedruckter Form vorlagen, per Computer verarbeiten lassen. Ein Produktdatensatz nach VDI 3805 enthält:

  • 3D-Geometriedaten in unterschiedlichen Details zur Verwendung der Produkte in CAD-Konstruktionsprogrammen
  • technische Daten für Berechnungen aller Art, zum Beispiel für Druckverlustberechnungen in Rohrnetzen, Akustikberechnungen in Lüftungskanälen und für Simulationen von PV-Anlagen
  • beschreibende Auswahldaten der Produkte wie Gerätetypen, Anschlusskonfigurationen, Dämmstandards usw.
  • Mediendaten, etwa Explosionszeichnungen, Montage-/Inbetriebnahme-Anleitungen/-videos, Wartungsvorschriften und Produktbilder
  • Baureihen- oder produktspezifisches Zubehör

Daten, die für die TGA relevant sind, werden in das 3D-Gebäudemodell integriert und stehen so während der gesamten Lebenszeit des Gebäudes zur Verfügung. Das ermöglicht auch Um- oder Erweiterungsplanungen während des Gebäudebetriebs – beispielsweise beim Mieterwechsel mit sich ändernden Nutzerprofilen oder bei Erweiterungsbauten – weil alle Daten für Dimensionierungen oder Simulationen über das Modell verfügbar sind. Der BIM-Prozess wird so optimal unterstützt beziehungsweise überhaupt ermöglicht. Weltweit tätige Hersteller und Baukonzerne fordern aufgrund der positiven Erfahrungen mit der VDI 3805 deshalb, diese zu internationalisieren. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) unterstützt dieses Vorhaben. Erste Teile sind über die Normungsorganisationen CEN und ISO bereits als EN ISO 16757 erschienen und von den guten Erfahrungen, die in Deutschland mit der Anwendung der VDI 3805 gewonnen wurden, können global weitere Anwender profitieren.

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Bild 1: Leistungsdiagramme und Geometrie der Luft-Wasser-Wärmepumpe Logatherm WLW196i-8 AR E aus VDI 3805-Funktionen. Bild: Hottgenroth

Vorteile durch VDI 3805

Funktionen und Geometrien sind zwei Besonderheiten der VDI 3805. Zu den Funktionen, die der Nutzer eingeben kann, zählen Druckverlust-, Akustik- oder Leistungsberechnungen. Hier können Hersteller ihre eigenen Auslegungs- oder Berechnungsalgorithmen hinterlegen, die dann von den Anwendungsprogrammen an Stelle von Standardalgorithmen benutzt werden. Beispielsweise lassen sich Leistungsdiagramme von Produkten erstellen. Bild 2 zeigt ein Beispiel für die Kennlinien der Luft-Wasser-Wärmepumpe WLW196i-8 AR E. Damit berechnet ein Simulationsprogramm in beliebigen Zeitschritten für die aktuell nötige systembedingte Vorlauftemperatur und für die aktuelle klimaabhängige Außentemperatur die Parameter Stromaufnahme, Wärmeleistung und Wirkungsgrad der Wärmepumpe. Die daraus ermittelten stündlichen oder minütlichen Ergebnisse sind, über das Jahr aufsummiert, viel genauer als etwa eine Norm-Berechnung nach VDI 4650, bei der mit wenigen Lastfällen und Jahreshäufigkeiten eine Leistungszahl errechnet wird. Zusätzlich sind über die Funktionen auch Artikelnummern generierbar.

Für Massenerzeugnisse wie Heizkörper, bei denen aufgrund der hohen Zahl an Längen, Farben und Anschlusspositionen schnell eine sechsstellige Anzahl von Varianten in einer Baureihe zustande kommen, ist das eine praktische Möglichkeit, alle Versionen einer Baureihe abzubilden. Dieses Feature wird auch in der Lüftungstechnik bei Schalldämpfern oder bei Brandschutzklappen gern verwendet. (Bild 2). Über die Standardfunktion Geometrie lassen sich wiederum parametrisierte Geometrien verwenden. Mit nur einer Geometriebeschreibung kann man so eine komplette Baureihe abbilden. Diese Beschreibung enthält viele unterschiedliche Informationen, die erforderlich sind, um eine TGA und die Rohrnetze für Heizung, Kühlung, Trinkwasser, Abwasser, Löschwasser und Lüftung mit CAD-Programmen zu konstruieren:

  • Produktraum, Bedienraum, Einbringraum, Montageraum (für Berechnungen zur Kollisionskontrolle)
  • vier Detailstufen der Darstellung
  • Farb- und Materialinformationen
  • umfangreiche Anschlussinforma­tionen (DN, Anschlussformen und -kennungen, Medientypen und -flussrichtungen usw.) (Bild 2)

    Hinzu kommen weitere interessante Möglichkeiten der VDI 3805: So können Nutzer Systeme oder Produktpakete bilden – über Querverweise zu VDI 3805-Datensätzen anderer Produkte oder auch zu Artikeln anderer Hersteller. Speicher (VDI 3805 Blatt 20) lassen sich so etwa Wärmeerzeugern (VDI 3805 Blatt 3) oder Wärmepumpen (VDI 3805 Blatt 22) zuordnen. Oder der Anwender verbindet Einstellventile (VDI 3805 Blatt 2) fest mit Heizkörpern (VDI 3805 Blatt 6).
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Bild 2: Heizkreis-Anschluss der Luft-Wasser-Wärmepumpe WLW196i im CAD-Programm RUKON. Bild: Hottgenroth & Tacos

BIM-Standards: Schneller mit ETIM

Das ETIM-Klassifikationsmodell entstammt ursprünglich der Standardisierung von Erzeugnissen der Elektrotechnik. Der ETIM Deutschland e. V. wurde 1999 von neun Elektro-Großhändlern und Einkaufsgemeinschaften gegründet. Elektrotechnische Erzeugnisse werden mit ETIM einheitlich und technisch beschrieben – Produkt- und Katalogdaten zwischen Industrie und Großhandel lassen sich so einfacher austauschen. Die Standardisierung ermöglicht es, lieferantenunabhängig technische Produkte anhand der Klasse oder technischer Merkmale wiederzufinden. ETIM teilt dabei jedes gehandelte Erzeugnis einer bestimmten Produktklasse zu. Innerhalb dieser werden den Produkten unterschiedliche objektivierbare Eigenschaften wie Material oder Leistungsaufnahme zugeordnet, die sie beschreiben. Diese Klassen sind zusätzlich in der Regel durch Synonyme beschrieben, die die Suche erleichtern.

Außer den zur Klassifizierung nötigen Daten werden auch zusätzliche Informationen übertragen. Es ist davon auszugehen, dass es eine umfassende Beschreibung für fast alle elektrotechnischen Produkte gibt, weil der Elektrogroßhandel das ETIM-Klassifikationsmodell seit etwa Anfang 2000 aktiv nutzt. Der Sektor SHK ist seit September 2017 ebenfalls enthalten, mit der Veröffentlichung der ETIM-Version 7.0 stehen rund 2.700 Produktklassen inklusive definierter Merkmale zur Verfügung. Der Einsatz des Standards in der SHK-Branche wird unterstützt von ARGE Neue Medien, dem Deutschen Großhandelsverband Haustechnik (DG Haustechnik) und der ZVSHK.

BIM-Standards ETIM und VDI ergänzen sich

Beide Formate ergänzen sich gut. ETIM legt im SHK-Bereich den Fokus überwiegend auf die kaufmännische Seite des BIM-Prozesses, etwa mit Kostenermittlung, Bauabwicklung (Angebote, Bestellungen) und Ersatzteilmanagement. Die VDI 3805 legt den Schwerpunkt dagegen darauf, technische Produktdaten für Konstruktion, Planung, Auslegung und Simulation bereitzustellen. Gerade bei Massenware wie Heizkörpern überzeugt die Richtlinienreihe VDI 3805: Sie kann komfortabel alle Varianten abbilden, weil diese erst zur Laufzeit des Anwendungsprogramms konfiguriert und mit Artikelnummern versehen werden. Und: Ein nicht komprimierter Heizkörperdatensatz mit rund viereinhalb Millionen Produkten ist kleiner als vier MByte.

ETIM kann die VDI-/ISO-Standards als BIM-Standards nicht ersetzen. Natürlich gibt es aufgrund der voneinander unabhängigen Entwicklung Daten, die in beiden Welten vorkommen. Die verantwortlichen Gremien haben deshalb eine Zusammen­arbeit signalisiert.

Von Martin Schröder und Dr.-Ing. Lutz Blaich.

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