25.01.2013 – Kategorie: Branchen
Design-Schule am Donauufer
In der Baubranche weht ein eisiger Wind, denn die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verschärft: bei gleichbleibender oder gar besserer Qualität sind Projekte immer schneller und kostengünstiger abzuwickeln. Gleichzeitig werden die Gebäude aber komplexer und die Aufgaben anspruchsvoller.
Die Antwort auf die Anforderungen der Branche sieht Achim Röder, Geschäftsführer von Röder Ingenieure aus Ulm, in der Software: „Heutige Anforderungen lassen sich nur durch den Einsatz entsprechender Lösungen meistern. Ohne eine leistungsstarke Berechnungssoftware können wir die komplexen Gebäude gar nicht mehr erfassen. Ebenso hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Umsetzung von komplexen Gebäuden mithilfe von 3D-Darstellungen wesentlich besser funktioniert, da wir Details nun viel schneller aufnehmen können.“
Röder Ingenieure setzen auf die Building-Information-Modeling-Lösung (BIM) Autodesk Revit Structure, als Software für Tragwerksplanung und Ingenieurbau. Damit ist eine konsistente Modellierung, Bemessung und Konstruktion eines Tragwerks möglich. Die Anwendung erlaubt zudem eine genaue und effiziente Planung, Analyse und Dokumentation. „Mit Building Information Modeling haben wir von 2D- oder 3D-Planung auf die datenbankbasierte und parametrische digitale Gebäudemodellierung umgestellt“, erklärt Achim Röder.
Der von Autodesk geprägte BIM-Begriff bezeichnet eine Strategie der digitalen Planung, bei dem alle Vorgänge rund um den Lebenszyklus eines Gebäudes miteinander in Verbindung stehen. So lassen sich sämtliche Informationen zu einem Bauprojekt in einem zentralen Datenpool speichern. Ein geplantes Gebäude entsteht dabei vorab im Computer als virtuelles Modell, an dem man sämtliche Fragen klären und alle Fachbereiche aufeinander abstimmen kann. Das digitale Gebäudemodell fungiert sozusagen als Prototyp, der Informationen zu Gebäudeform und -eigenschaften untereinander koordiniert und aktualisiert.
Für die Arbeitsweise heißt das: Vom ersten Entwurf bis hin zur Verwaltung arbeitet jeder am Bauprozess Beteiligte mit einem Modell, in dem die für seinen Bereich relevanten Daten vorgehalten werden. Das erleichtert Änderungs- und Abstimmungsprozesse.
Röder erläutert das genauer: „Wird das Modell etwa vom Architekten bearbeitet, werden alle Sichten und alle Dokumente automatisch aktualisiert. Wir müssen weder Änderungen nachzeichnen noch existieren mehrere Modelle nebeneinander, die man manuell zusammenführen muss.“ Grundlage hierfür ist das parametrische Änderungsmanagement. Die Informationen sind dank automatischen Datenabgleichs und zentraler Datenhaltung auch nach Änderungen stets auf dem aktuellen Stand. Das spart Zeit und vor allem lassen sich Fehler vermeiden, was wiederum der Planungsqualität und -sicherheit wie auch der Produktivität und Effizienz zugute kommt.
Die Einarbeitung in das BIM-Modell verlief für Achim Röder und seine Mitarbeiter unkompliziert. „Ein ganz großer Pluspunkt von Autodesk Revit Structure ist die Bedienbarkeit. Die Werkzeuge sind so intuitiv, dass man sehr schnell mit der Lösung arbeiten kann“, berichtet der Geschäftsführer.
Ein sehr anspruchsvolles und komplexes Projekt mit einem Budgetrahmen von zehn Millionen Euro ist der Bau der neuen Hochschule für Kommunikation (HFK) in Ulm. Das Gebäude, das im Frühling 2013 seiner Bestimmung übergeben werden soll, entsteht derzeit am letzten freien Donau-Grundstück mit einer Nutzfläche von 3.100 Quadratmetern. Das Gelände ist von zwei Bahnlinien und durch die unmittelbare Nähe zur Donau geprägt. Aufgrund der erhöhten Lage über dem öffentlichen Raum entlang der Donau ist das Grundstück besonders exponiert. Begrenzt wird das Gelände von einem Mauerstück der historischen Bundesfestung, das ursprünglich den Donauturm an die Donaubastion anschloss.
Die Stadt hatte das Gelände, das bisher Gärten und Autos Platz bot, schon länger für eine neue Nutzung im Blick. Die Vorgabe war, den Gemeinbedarf zu bedienen. Die Projektentwicklung und das Projektmanagement für den Neubau übernahm die städtische Projektentwicklungsgesellschaft PEG Ulm. Architekt des terrassenartigen Baus mit großer Freitreppe zum Donauuferweg ist das Neu-Ulmer Büro Nething Generalplaner.
Die Röder Ingenieure wurden sehr früh in das Projekt einbezogen, um die Machbarkeit zu prüfen. „Bereits am Entwurf konnten wir sehen, dass das Projekt zahlreiche Herausforderungen bereithalten würde, nicht nur aus Sicht des Tragwerksplaners“, erklärt Röder. Das exponierte Grundstück wird im Süden von einem denkmalgeschützten Teil der ehemaligen Stadtmauer begrenzt, schließt direkt an den Fuß- und Radweg an der Donau an und ist westlich ebenfalls durch einen denkmalgeschützten Festungsmauerrest abgeschlossen. Das Gelände hat einen Höhenversatz von etwa vier Metern zwischen nördlichem Grundstücksteil und dem Fuß- und Radweg-Niveau entlang der Donau. Im südlichen Bereich stehen in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Stadtmauersegmente. „In langen Gesprächen mussten wir klären, was auf diesem Grundstück überhaupt möglich ist – sowohl baulich als auch aus Sicht des Denkmalschutzes.“
Statische Herausforderung
Der Entwurf sieht einen Neubau vor, der sich vom Donauufer aus als gestaffelter, dreigeschossiger Baukörper entwickelt. Das Gebäude umfasst einen eingeschossigen zentralen Eingangsbereich und einen zwei- bis dreigeschossigen, zurückgesetzten Hauptbaukörper. Die Bebauung greift den bestehenden Höhenunterschied zum höher gelegenen Baugrundstück mit einem eingeschossigen Gebäudeteil als Übergang zum dreigeschossigen Hauptgebäude auf. Das eingeschossige Bauteil weist dabei eine Höhe von rund viereinhalb und das dreigeschossige Hauptgebäude zirka 13,5 Meter über dem angrenzenden Niveau auf. Der zweigeschossige Gebäudeteil hat zwei Innenhöfe zur Belichtung der Seminarräume. Zwei Dachterrassen bilden einen erweiterten Aufenthaltsraum. Eine große Freitreppe entlang des südlichen Festungsmauerrestes verbindet die Ebene Fuß- und Radweg mit dem oberen Level.
Innerhalb des Gebäudes werden Räume und Flächen entstehen, die flexibel und offen auf die Anforderungen der Akademie eingehen sollen. Das Gebäude an sich zeigt sich in seinem Umfeld als eine monolithische, scharfkantige Skulptur. Eine reduzierte Materialwahl soll Ruhe und Gelassenheit widerspiegeln und dadurch trotz der starken Formensprache eine gewisse Zurückhaltung in „historischer“ Umgebung verstärken. Die Konstruktion erforderte Fingerspitzengefühl. Sie sah tragende Außen- und Innenwände aus Stahlbeton, innere Stahlbetonstützen, Stahlbetonflachdecken und Stahlbetonfertigteilläufe im Treppenhaus vor. Alle weiteren inneren Raumaufteilungen sollten mit Trockenbauwänden erfolgen. Bereits im Entwurf war abzusehen, dass es gar nicht so einfach werden würde mit den historischen Ausgrabungen, den wenigen Wänden und der gesamten Gebäudedarstellung. Es sollte ja ein sehr komplexes Gebäude entstehen, bei dem die einzelnen Elemente nicht aufeinander, sondern nebeneinander stehen und die Lasten darunter waren nicht einfach abzutragen.
Diese Herausforderungen bei der Tragwerksplanung haben die Röder-Ingenieure mit Autodesk Revit Structure bewältigt. Bei dem Projekt war Kreativität gefragt. Als die Geometrien feststanden, wurde das 3D-Modell erstellt und die 3D-Daten direkt in die Berechnungssoftware übergeben (R-FEM von der Firma Dlubal). Die Berechnungsergebnisse flossen dann gleich wieder in die 3D-Modellierung ein. So konnte man mit den BIM-Lösungen ein perfektes Modell erstellen, vorab mögliche Kollisionen prüfen und die Planung letztendlich 1:1 umsetzen.
Nach den Aussagen von Achim Röder ließ sich der Entwurf so realisieren wie geplant. Das wichtigste bei der Anwendung von BIM sei wohl, das Modell konsequent zu erstellen, was unter Umständen etwas Geduld erfordere. Die Planerstellung danach – früher am aufwändigsten und Hauptfehlerquelle – hätte reibungslos funktioniert. Hochwertige Pläne direkt aus dem Revit-Modell besäßen zwar die nötige Aussagekraft und Schärfentiefe wie aus einer „2D-Liniensoftware“, wären aber deutlich fehleranfälliger als ein 3D-Modell.
Röder Ingenieure setzen auch weiterhin auf BIM , denn damit würden Schnittstellenverluste eliminiert und Kommunikationsschwierig-keiten minimiert. Interdisziplinäres BIM biete somit die Grundlage für ein schnelles und intuitives Generieren von Plänen für die Baustelle und liefere darüber hinaus exakte Maße und Daten für Simulation, Analyse, statische Berechnung sowie für die Auslegung gebäudetechnischer Anlagen. (ra)
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