07.12.2022 – Kategorie: Architektur & Bau

Digitale Erfassung: Reality Capture erleichtert zukünftige Renovierungsarbeiten

Digitale ErfassungQuelle: PB Grassl

Bereits im fünften Jahrhundert nach Christus errichtete Severin von Noricum in der heutigen Passauer Innstadt eine kleine Gebetszelle sowie ein Kloster. Mit Technologien von Leica Geosystems, Teil von Hexagon, wurde die Kirche St. Severin vermessen und digital erfasst, um den Erhalt dieses historischen Juwels zu sichern und eine optimale Grundlage für künftige Renovierungsarbeiten zu bieten.

Digitale Erfassung von Bestandsgebäuden: Das Kloster wurde im Laufe der Zeit immer wieder erweitert. Reste der Fundamente einer frühen Kirche – dem Vorgängerbau der heutigen St. Severin-Kirche – wurden 1976 bei Ausgrabungen gefunden. Die heutige Kirche St. Severin wurde an eben jenem Ort erbaut. Das faszinierende Bauwerk gehört zu den ältesten und bedeutendsten Baudenkmälern der Region.

Alte Gebäude durch digitale Erfassung erhalten

Die prachtvolle, romanische Kirche entstand in verschiedenen Bauphasen. Ein ganz genaues Baudatum lässt sich nicht identifizieren, doch Fachleute konnten mithilfe einer dendrochronologischen Untersuchung (Baumringanalyse) das Holz des Dachstuhls analysieren und vier Fällphasen zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert ermitteln. Der Dachstuhl des Kirchenschiffs stammt ursprünglich aus dem Jahr 1325. Das Chordach ist fast 150 Jahre jünger und lässt sich auf das Jahr 1472 zurückdatieren. Der Dachstuhl ist somit einer der ältesten in ganz Bayern.

Zwischen 1854 und 1861 wurden an der Kirche umfangreiche Restaurierungs- und Reparaturarbeiten im spätromanischen Stil durchgeführt. Diese Neugestaltung erschwert es bis heute, die ursprüngliche historische Architektur zu erforschen und zu dokumentieren. Ein Grundriss aus dem Jahr 1856 sagt beispielsweise nichts über die ursprüngliche Gestaltung zur Bauzeit der Kirche aus.

Reality Capture – moderne Umgebungserfassung

Früher dokumentierten Kartographen wichtige Gebäude durch detaillierte Skizzen. Diese traditionellen Methoden brauchen Zeit und ihre Genauigkeit hängt von der subjektiven Wahrnehmung des Erstellers ab. Heutzutage stehen innovative Technologien zur Verfügung, um schützenswerte Architektur digital zu erfassen. So lassen sich mit Hilfe von 3D-Laserscannern, Drohnen und der passenden Software innerhalb geringer Zeit detaillierte digitale 3D-Modelle von Gebäuden oder Denkmälern erstellen. Digitale Modelle liefern Eigentümern, Bauforschern und Planern ein klares und genaues Bild des aktuellen baulichen Zustandes sowie der bestehenden Strukturen. Sie helfen beispielsweise dabei, schon früh statische Probleme zu identifizieren und Bereiche zu erkennen, die ertüchtigt oder instandgesetzt werden müssen. Darüber hinaus sind sie optimale Grundlage um Sanierungskonzepte zu entwickeln, die den historischen Bestand respektieren und ressourceneffizient auf bestehende Strukturen aufbauen.

Zur Erstellung eines digitalen Zwillings tasten die Sensoren des Laserscanners das zu vermessende Projekt in einem Raster ab und erzeugen dreidimensionale Punkte (bis zu zwei Millionen Punkte pro Sekunde). Eine 3D-Punktwolke ist das Resultat. Diese lässt sich dann mit spezieller Software zu 3D-Modellen verarbeiten. Eine andere Messmethode ist die Photogrammetrie – ein Verfahren, bei dem durch die Erfassung und Überlagerung hochauflösender Bilder zuverlässige 3D-Daten entstehen, die mit dem Laserscan kombiniert werden können.

Digitale Erfassung
Digitale Modelle liefern Eigentümern, Bauforschern und Planern ein klares und genaues Bild des aktuellen baulichen Zustandes sowie der bestehenden Strukturen. Bild: PB Grassl

Datenerfassung vor Ort

PB Grassl ist ein deutsches Planungsbüro, das sich neben den Planungsleistungen im Bereich Architektur und Denkmalschutz auf die Vermessung bestehender oder denkmalgeschützter Gebäude spezialisiert hat. Mit Technologien von Leica Geosystems, Teil von Hexagon, wurde die Kirche St. Severin vermessen und digital erfasst, um den Erhalt dieses historischen Juwels zu sichern und eine Grundlage für künftige Renovierungsarbeiten zu bieten.

Mit Hilfe terrestrischer Laserscanning-Technologie erstellte das Team ein vollständiges 3D-Aufmaß der Kirche. Hierbei kam mit dem Leica RTC360 ein besonders schneller und präziser Laserscanner zum Einsatz, um das Objekt in all seiner Detailliertheit erfassen zu können. In weniger als zwei Minuten pro Standpunkt erfasst der Leica RTC360 Scandaten sowie wertvolle 360°-HDR-Aufnahmen der Umgebung. Der Scanner ist einfach in der Handhabung und eignet sich besonders für die Durchführung komplexer Projekte und präziser 3D-Visualisierungen – und damit für Spezialisten wie PB Grassl. Um alle Details zu erfassen, führte das Team Scans von insgesamt 240 Standorten durch. Das Laserscan-Aufmaß wurde durch das photogrammetrische Aufmaß der Drohne (2.267 Luftaufnahmen) ergänzt. So konnten auch schwer zugängliche Stellen, wie Dächer, erreicht, vermessen und in den bestehenden Laserscan integriert werden.

Digitale Erfassung: Datenbearbeitung im Büro

Schon vor Ort wurden die Scandaten mithilfe der Leica Cyclone Field 360 App durch Echtzeitübertragung erfasst, vorregistriert und geprüft. Dieser direkte Zugriff auf die Daten inklusive Visualisierung ist wichtig, denn so konnte das Team vor Ort deren Qualität sofort überprüfen und gegebenenfalls fehlende Scans nachholen. Zurück im Büro wurden die einzelnen vorregistrierten 3D-Laser-Standpunkte mit einer speziellen Software — Leica Cyclone Register 360 – eingelesen, nochmals kontrolliert und fehlende Verknüpfungen hinzugefügt. Anschließend exportierten die Architekten eine Punktwolkendatei, bestehend aus ungefähr zwei Milliarden Messpunkten.

Mit einer Photogrammetrie-Software ließ sich die Punktwolkendatei im Anschluss mit den hochauflösenden Drohnenfotos ergänzen. Aus dieser Kombination entstand ein wirklichkeitsnahes, texturiertes 3D-Modell der Kirche – St. Severins digitaler Zwilling. Die Punktwolkendatei wurde erneut in eine weitere Software (3DWorx von rmData) importiert, durch die sämtliche Ansichten, Schnitte und Grundrisse generiert werden konnten.

Künftig können somit alle Verantwortlichen und beteiligten Planer für anstehende Renovierungsarbeiten auf die digitale Erfassung und Vermessung sowie das 3D-Modell der Kirche zurückgreifen. Die Daten werden aber auch von entscheidender Bedeutung für jegliche Reparatur- oder Wiederaufbauarbeiten sein – sollten zum Beispiel bei einem Brand Teile der Kirche zerstört werden. Ein digitaler Zwilling der Kathedrale Notre-Dame de Paris half beispielsweise deren Wiederaufbau zu planen, nachdem 2019 ein Brand das historische Bauwerk teilweise zerstört hatte.

Digitale Erfassung
Leica RTC360, ein besonders schneller und präziser Laserscanner. Bild: PB Grassl

Fazit und Ausblick

St. Severin ist nun digital dokumentiert und im detailgerechten 3D-Modell repliziert. Die 2D- und 3D-Modelle bieten eine Grundlage für die zukünftige Arbeit von Architekten, Statikern und Bauforschern. Auch die verzerrungsfreien und maßstabsgetreuen Orthofotos, die sich aus den Modellen exportieren lassen, sind für Fachleute von Nutzen. Für Thomas Grassl, Bautechniker und Inhaber von PB Grassl, spielt die Digitalisierung und die dreidimensionale, detailgetreue Dokumentation solcher Bauwerke eine ganz zentrale Rolle<: „Es ist für die Kultur und Architektur von hoher Bedeutung, wertvolle Gebäude dreidimensional zu erfassen und diese Daten zu archivieren, um Kulturschätze digital zu bewahren und Planungen in Zukunft zu erleichtern. Technologien wie die von Leica machen uns dies möglich“, meint Thomas Grassl. „Wir sind der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verpflichtet, das Erbe unserer Vorfahren zu bewahren und es für unsere Nachkommen zu erhalten.“

Von Alexandra Maiberger.

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