24.04.2023 – Kategorie: Hardware & IT
Forschungsprojekte dokumentieren: Grubenpläne in 2D
Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum hat sich seit seiner Gründung 1930 zu einer großen Forschungseinrichtung gewandelt. Um die Rohstoffgeschichte der Menschheit zu erforschen und zu dokumentieren, bedarf es unter anderem sorgfältig ausgesuchter digitaler Methoden wie CAD. Seit kurzem ist BricsCAD im Einsatz, etwa um Grubenpläne (Grundrisse, Seigerrisse und Schnitte) in 2D für Publikationen zu erstellen.
In einer Zeit, in der sich alle Branchen in einer digitalen Transformation befinden, muss auch die archäologische Bergbauforschung Schritt halten, indem sie geeignete Technologien einsetzt, was angesichts der oft außergewöhnlichen Umgebungsbedingungen auch spezielle Lösungsansätze erfordert. Gero Steffens, Mitarbeiter im Forschungsbereich Montanarchäologie, gewährt DWG solutions einen Einblick in die Forschungsprojekte der untertägigen Welt.
Forschungsprojekte: Dokumentation ist das A und O
Herr Steffens, was sind Ihre Beschäftigungsfelder im DBM?
Gero Steffens: Mein Schwerpunkt ist die Vermessung und Visualisierung untertägiger Hohlräume in 2D und 3D. Ebenso die Umsetzung der wissenschaftlichen Inhalte und Ergebnisse in Form von Filmen und (animierten) Grafiken.
Welches Hauptanliegen haben Sie in Ihrer Arbeit?
Steffens: Ich versuche, komplexe Zusammenhänge einer für die meisten Menschen völlig unbekannten „untertägigen Welt“ in verständlicher Form erfahrbar zu machen. Dabei gibt es nicht die eine Dokumentation, es kommt immer auch auf den angestrebten Verwendungszweck an. Ein hoch aufgelöstes 3D-Modell beispielsweise ist für den Abdruck in einer Publikation wenig hilfreich, hier ist ein 2D-Plan deutlich im Vorteil (der sich aber nicht „einfach“ aus einem 3D-Modell ableiten lässt). Will ich hingegen die dreidimensionale Struktur eines komplexen Hohlraums mit all seinen unterschiedlichen Materialien vermitteln, ist eine SfM-Erfassung (Structure from Motion) konkurrenzlos. Dieses Vorgehen wird auch als Mehrbild-Photogrammetrie bezeichnet. Dabei handelt es sich um einen automatischen Prozess, der die räumliche Struktur von Objekten aufgrund korrespondierender Merkmale in Bildern erkennt.
Wie kann man sich die Schnittstelle zwischen Museum und Forschungseinrichtung vorstellen?
Steffens: Ich zitiere hier mal den Text unseres Webauftritts: „Der einzigartige Charakter des Deutschen Bergbau-Museums Bochum, Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, liegt in der Verbindung von leistungsstarkem Forschungsinstitut und lebendigem Museum.“ Zu den forschenden Bereichen gehören: Archäometallurgie, Bergbaugeschichte, Materialkunde, Montanarchäologie sowie das Forschungslabor und das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok).
Unsere Forschung untersucht, dokumentiert und bewertet umfassend die Entwicklung und Geschichte des Bergbaus als „Urproduktion“ der Menschheit und unverzichtbare Notwendigkeit bis in die Gegenwart hinein.
Bergbau in 3D
Eines Ihrer Projekte ist der Rötel-Bergbau „Tzines“ auf der griechischen Insel Thasos. Sie erkunden und dokumentierten dort die ältesten bekannten Minen Europas. Wie muss man sich das vorstellen?
Steffens: Die frühesten bergbaulichen Aktivitäten der Menschheit dienten der Gewinnung von (roter) Farbe: Rötel. Gemeinsam mit griechischen Archäologen untersuchte das DBM schon Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre den prähistorischen Rötel-Bergbau auf der griechischen Insel Thasos. Dabei ließ sich mittels 14C (Radiokarbondatierung) das Alter der so genannten Grube 1 auf über 20.000 Jahre vor heute datieren. Damit ist Tzines das bisher älteste Bergwerk Europas. Seit 2016 befasst sich Chiara Levato im Rahmen ihrer Doktorarbeit mit der Funktionsanalyse der im Bergbauumfeld gefundenen Steingeräte. Im Juni 2018 konnten wir dann die Grubenbaue und ihre Umgebung dreidimensional dokumentieren.
Sie setzen im Bergbau-Museum seit rund 30 Jahren CAD-Software ein für die Dokumentationen Ihrer Forschungsprojekte. Mit welcher Lösung haben Sie bislang gearbeitet?
Steffens: Wir haben lange Jahre AutoCAD verwendet und damit Geländemodelle, Grund- und Seigerrisse (2D) sowie Fundkartierungen erstellt. Mit Hilfe des selbst entwickelten „Lichtschnittgeräts“ ließen sich Anfang der 1990er-Jahre dicht nacheinander erfasste Stollenprofile zu einfachen 3D-Modellen vermaschen. Anfang 2000 entwickelten wir dann einen 2D-Scanner auf Basis des LDM300c von Jenoptik, der die oft sehr engen Stollenprofile direkt digital als DXF-Datei erzeugte. Wie im Falle der Grube 1 in Tzines, erfassen wir heute oft die komplette Geometrie einer Grube, inklusive Texturierung mittels SfM.
Seit kurzem erst sind Sie zu BricsCAD gewechselt. Welche Erfahrungen haben Sie damit bislang gemacht?
Steffens: Am Museum haben wir über lange Jahre AutoCAD genutzt, deshalb war uns natürlich ein reibungsloser Übergang wichtig. Das hat BricsCAD bislang mehr als erfüllt. Seitdem Autodesk die Nutzungsbedingungen geändert hat, ist für uns als nicht kommerziell arbeitendes Forschungsinstitut die Verwendung von AutoCAD nicht mehr finanzierbar.
Daten der Forschungsprojekte sicher implementieren
Wie haben Sie die ‚Altdaten‘ der Forschungsprojekte aus dem Vorgängersystem eingebunden und wie verliefen Implementierung, Schulung usw.?
Steffens: Bei der Datenmigration in ein neues Softwaresystem sollen natürlich alle Informationen, fehlerfrei übernommen werden. Dies zeigte sich besonders deutlich bei unseren selbst erstellten Linientypen „Abbruchkante“ (step line) und „schräge Wand“ (slope line), bei denen die Ausrichtung der Striche die Neigungsrichtung anzeigen. Eine unbemerkte Umkehr der Ausrichtung würde dann aus einer Mulde (Rundstruktur mit Strichen nach innen) einen Hügel machen. Der Umstieg auf BricsCAD lief also perfekt, da wir Sonderschraffuren und Spezial-Linientypen fehlerfrei ins neue System übernehmen konnten.
Wie beurteilen Sie Stand heute die neue Lösung? Was ist einfacher, was verbesserungswürdig?
Steffens: Für unsere Belange haben wir keine großen Veränderungen festgestellt, allerdings „fehlt“ uns die Möglichkeit zum einfachen Punktimport inklusive Punktnummer. Die kommt aber wohl nun mit der neuen Version 23 im Herbst.
Ein Fazit bitte mit Blick auf unsere heutige Welt – warum diese Unterwelt überhaupt erforschen?
Steffens: Der Forschungsbereich Montanarchäologie des Deutschen Bergbau-Museums Bochum beschäftigt sich mit der Nutzungsgeschichte mineralischer Rohstoffe. Unser Ziel ist es, die komplexen Prozesse zur Gewinnung, Aufbereitung, Weiterverarbeitung und vom Handel mit Rohstoffen zu verstehen. Der Fokus richtet sich auf die Produktion von Metallen und die Gewinnung und Verwendung von Salz seit der Urgeschichte bis ins Mittelalter. Eine möglichst umfassende Dokumentation des vorgefundenen Ist-Zustands ist dabei immer eine Grundvoraussetzung für die wissenschaftliche Erforschung und einer gegebenenfalls anschließenden Unterschutzstellung. Je nach Fundsituation lassen sich Aussagen über die damalige Ernährung (Frucht-, Getreidesorten), das Klima (mittelalterliche Warmzeit) oder gar Krankheiten der Bergleute und somit deren Arbeits- und Lebenswelt machen.
Das Gespräch führte Regine Appenzeller.
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