22.10.2020 – Kategorie: Architektur & Bau

Funktionale Holzverbindungen: Konstruieren ohne Leim und Nägel

Holzverbindungen mit neuartiger Software konstruierenQuelle: Larsson et. al., Universität Tokio

Mit einer neuartigen 3D-Software lassen sich strukturell stabile Holzverbindungen ohne Nägel und Klebstoffe entwerfen und herstellen.

  • Holz gilt aus ästhetischen und ökologischen Gründen als interessantes Baumaterial.
  • Der Bau funktionaler Holzobjekte erfordert komplexere Strukturen und Möglichkeiten, die Komponenten stabil miteinander zu verbinden.
  • Forschende der Universität Tokio haben dafür eine neuartige 3D-Konstruktionssoftware entwickelt.
  • Sie soll den Konstruktionsprozess stark vereinfachen, auch weil für die funktionalen Holzverbindungen weder Nägel noch Klebstoff notwendig sind.

Eine neuartige Software, entwickelt von Forschenden der Universität Tokio, unterstützt die Anwender, komplexe, strukturell stabile Holzverbindungen zu entwerfen und herzustellen.

Holz gilt sowohl aus ästhetischen als auch aus ökologischen Gründen als attraktives Baumaterial. Der Bau von funktionalen Holzobjekten erfordert komplizierte Strukturen und entsprechende Möglichkeiten, Holzverbindungen zu konstruieren. Die Wissenschaftler schufen eine neuartige 3D-Konstruktionsanwendung, die den Konstruktionsprozess enorm vereinfachen hilft und die auch Anweisungen für Fräsmaschinen zur Verfügung stellt, damit sich die entworfenen Komponenten effizient herstellen lassen. Die Entwürfe benötigen weder Nägel noch Klebstoff, und das heißt, dass mit diesem System hergestellte Gegenstände leicht zusammengebaut, zerlegt, wiederverwendet, repariert oder recycelt werden können.

Einfach und effizient haltbare Holzverbindungen konstruieren

Das Tischlerhandwerk ist so alt ist wie die Menschheit selbst. Zu gleichen Teilen Kunst und Technik, hat es im übertragenen und buchstäblichen Sinne die Welt um uns herum geformt. Doch trotz seiner Allgegenwart ist eine anspruchsvolle Fertigkeit, die hohe Preise für handgefertigte Holzgegenstände erklärt. Daher stellt man viele Holzmöbel maschinell her, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Einige Maschinen lassen sich hochgradig automatisieren und mit Entwürfen programmieren, die von Designern am Computer erstellt wurden. Dies kann an sich schon eine sehr technische und kreative Herausforderung sein, die bisher für viele unerreichbar war.

Forschende der Abteilung für kreative Informatik an der Universität Tokio haben eine Anwendung für 3D-Entwürfe entwickelt, mit der schnell, einfach und effizient strukturelle Holzbauteile erstellt werden können. Sie nennen es Tsugite, das japanische Wort für Tischlerei, und über eine einfache 3D-Oberfläche können Benutzer mit wenig oder keiner Vorerfahrung in der Holzbearbeitung oder im 3D-Design in wenigen Minuten Entwürfe für funktionale Holzstrukturen erstellen. Diese Entwürfe können dann Fräsmaschinen anweisen, die Strukturkomponenten zu schnitzen, die die Benutzer dann ohne zusätzliche Werkzeuge oder Klebstoffe nach Anweisungen am Bildschirm zusammensetzen können.

Tsugite-Interface: Tsugite hat eine intuitive Bedienoberfläche, um den Benutzern Gestaltungsmöglichkeiten zu präsentieren. © Larsson et al.

Auch unerfahrene Anwender können Holzverbindungen entwerfen

„Wir wollten die Kunst der Tischlerei auch Menschen ohne spezifische Erfahrung zugänglich machen. Als wir die Schnittstelle in einer Benutzerstudie testeten, haben Leute, die neu in der 3D-Modellierung sind, nicht nur einige komplexe Strukturen entworfen, sondern dieses Arbeiten auch genossen“, sagte Forscherin Maria Larsson. „Tsugite ist einfach zu benutzen, da es die Benutzer Schritt für Schritt durch den Prozess führt, beginnend mit einer Galerie von bestehenden Entwürfen, die dann für verschiedene Zwecke modifiziert werden können. Fortgeschrittene Benutzer können jedoch direkt in einen manuellen Bearbeitungsmodus wechseln, um ihre Kreativität freizusetzen.“

Tsugite bietet den Benutzern eine detaillierte Ansicht von Holzverbindungen, die durch so genannte Voxel, im Wesentlichen 3D-Pixel, in diesem Fall kleine Würfel, dargestellt werden. Diese Voxel lassen sich an einem Ende eines zu verbindenden Bauteils verschieben; dadurch werden die Voxel am Ende des entsprechenden Bauteils automatisch so angepasst, dass sie sich garantiert fest verbinden, ohne dass es Nägel oder gar Klebstoff dafür braucht. Zwei oder mehr Komponenten können verbunden werden, und der Software-Algorithmus passt alle entsprechend an. Unterschiedliche Farben informieren den Benutzer über die Eigenschaften der Verbindungen, etwa, wie leicht sie zusammengleiten werden, oder über Probleme wie mögliche Schwachstellen.

Holzverbindungen kombinieren
Holzverbindungen kombinieren: Alle sieben einzigartigen Möglichkeiten, wie sich zwei Teile in Tsugite miteinander verbinden lassen. © Larsson et al.

Grenzen bei der Herstellung schon im Entwurfsprozess sichtbar

Was Tsugite einzigartig macht, ist die Tatsache, dass es den Herstellungsprozess direkt in die Entwürfe einbezieht. Das bedeutet, dass Fräsmaschinen, die physikalische Einschränkungen wie ihre Freiheitsgrade, Werkzeuggröße usw. haben, nur Entwürfe erhalten, die sie auch erstellen können.

„Im Bereich der Computergrafik gibt es große Forschungsarbeiten dazu, wie man eine Vielzahl von Gelenkgeometrien modellieren kann. Aber bei diesem Vorgehen fehlen oft die praktischen Überlegungen zur Herstellung und zu den Materialeigenschaften“, so Larsson. „Umgekehrt mag die Forschung in den Bereichen Bauingenieurwesen und Architektur in dieser Hinsicht sehr gründlich sein, aber sie könnte sich nur mit einigen wenigen Arten von Fugen befassen. Wir sahen das Potenzial, die Stärken dieser Ansätze zu kombinieren, indem wir Tsugite schaffen. Die Lösung kann eine große Vielfalt von Holzverbindungen erforschen und hält sie dennoch innerhalb realistischer physikalischer Grenzen“.

Ein weiterer Vorteil, die Fertigungsbeschränkungen in den Designprozess einzubeziehen, besteht darin, dass die Tsugite zugrunde liegenden Algorithmen leichter durch die verschiedenen Möglichkeiten navigieren können. Denn diejenigen, die physikalisch unmöglich sind, erscheinein einfach nicht als Optionen. Die Forscher hoffen, Tsugite durch weitere Verfeinerungen und Weiterentwicklungen so skalieren zu können, dass sich nicht nur Möbel und kleine Strukturen, sondern auch ganze Gebäude damit entwerfen lassen.

Flexibilität bei der Wiederverwendung und Reparatur

„Nach Angaben der UNO ist die Bauindustrie für fast 40 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Holz ist vielleicht das einzige natürliche und erneuerbare Baumaterial, das wir haben, und eine effiziente Tischlerei kann weitere Nachhaltigkeitsvorteile bringen“, sagt Larsson. „Die Verbindung von Hölzern durch die Tischlerei, im Gegensatz zum Beispiel zur Verwendung von Metalldübeln, reduziert den Einsatz von Mischmaterialien — ein Vorteil für Sortierung und Recycling. Außerdem können unverleimte Verbindungen auseinandergenommen werden, ohne Bauteile zu zerstören. Dies eröffnet die Möglichkeit, Gebäude zu demontieren und an anderer Stelle wieder zusammenzubauen. Oder man kann defekte Teile ersetzen. Diese Flexibilität bei der Wiederverwendung und Reparatur macht Holz noch nachhaltiger“.

Paper: Maria Larsson, Hironori Yoshida, Nobuyuki Umetani, and Takeo Igarashi, „Tsugite: Interactive Design and Fabrication of Wood Joints,“ Proceedings of the 32nd Annual ACM Symposium on User Interface Software and Technology: October 21, 2020, doi:10.1145/3379337.3415899.
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Bild oben: Ein in Tsugite entworfener Stuhl. © Larsson et al

Weitere Informationen: https://www.u-tokyo.ac.jp/

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