01.02.2022 – Kategorie: Konstruktion & Engineering

Generatives Design: Wie es den Leichtbau beschleunigt

Generatives DesignQuelle: Hexagon

EDAG Engineering, Voestalpine Additive Manufacturing Center und Simufact haben ein konventionell konstruiertes Scharnier einer Motorhaube optimiert und für die additive Fertigung neu entwickelt. Das mit MSC Apex Generative Design entstandende Ergebnis ist erheblich leichter.

Generatives Design in der Praxis: Scharniere sind in den meisten Fällen simple Bauteile mit einfacher Funktion. Aufwändiger wird es, wenn diese eine besondere Kinematik erlauben und im begrenzten Motorraum eines Autos Platz finden sollen. Diese Art der Scharniere sind jedoch deutlich größer und können in der Form meist nicht in kleinen Autos oder Sportwagen verbaut werden. Zusätzlich sind sie erheblich schwerer, sodass weiteres Gewicht in das Auto eingebracht wird – entgegen der aktuellen Notwendigkeit, Autos für einen geringeren Verbrauch leichtgewichtiger zu gestalten.

Generatives Design für ein simples Bauteil

Die komplexe Kinematik führt zu einer hohen Bauteilanzahl von 20-40 Bauteilen pro Scharnier, und mit konventionellen Verfahren sind kleine Stückzahlen solcher Baugruppen wirtschaftlich nicht durchführbar. Ziel und Herausforderung des Innovationsprojektes war es daher, ein Maximum an Leichtbau zu erzielen und mit hochgradiger Funktionsintegration die Anzahl der Bauteile stark zu reduzieren sowie gleichermaßen eine funktionierende Kinematik zu gewährleisten. Das vorliegende Scharnier wurde dazu in einen oberen und unteren Teilbereich eingeteilt und getrennt voneinander betrachtet. Das Team nutzte die vielseitigen Möglichkeiten der additiven Fertigung, um das Bauteil neu zu durchdenken, neu zu designen und schließlich additiv herzustellen.

Integrierter Leichtbau

Für die Optimierung der unteren und oberen Baugruppe ist das jeweilige CAD-Modell in MSC Apex Generative Design importiert worden. Darauf aufbauend wurden in der Modellvorbereitung die notwendigen Design- und Non-Design-Bereiche inklusiver aller Verbindungselemente zur Primärstruktur festgelegt und als Material der Stahl 316L definiert. Die auftretenden Kräfte sind anschließend hinzugefügt und für die Optimierung zu verschiedenen Lastfällen zusammengefasst worden. Als Zielwert der Optimierung dient ein maximaler Spannungswert, den die Struktur nicht überschreiten darf.

Generatives Design
Gewichtsintensives, konventionelles Design eines Motorhaubenscharniers mit hoher Bauteilanzahl. Bild: Hexagon

Für das obere Teilelement ist so eine Geometrie erzeugt worden, die 15 Bauteile auf ein Kernbauteil plus 3 weitere Anbauteile reduziert und das Bauteilgewicht von knapp 800 g auf 200 g verringert. Bei der Analyse der generierten Struktur fiel jedoch auf, dass der Algorithmus eine sehr lange Strebe erzeugt hat, die der Ingenieur mit einer zusätzlichen Verbindung verstärken wollte.

Das bereits erzeugte Ergebnis hat er dazu wieder in die Modellvorbereitung eingeladen und mit den Geometriewerkzeugen von MSC Apex Generative Design eine Strebe an der Stelle skizziert, an der die Verbindung entstehen sollte. Die Strebe muss dafür lediglich grob eingefügt werden, denn der Algorithmus bindet mit einigen wenigen Optimierungsiterationen die Strebe sauber an und fügt sie in die Gesamtstruktur ein. So entstand eine weitere Variante mit zusätzlicher Strebe, die der zuvor generierten Geometrie mehr Stabilität verschafft. Gleichzeitig konnte das Material an anderen Stellen der Struktur etwas reduziert werden, sodass das optimierte Bauteil mit weiterhin 200 g Gewicht eine Gewichtsreduktion von 75 Prozent erzielt.

Generatives Design
Optimierungsergebnis von MSC Apex Generative Design, das schnell und einfach mit der integrierten Mesh-to-CAD Funktionalität erzeugt werden kann. Bild: Hexagon

Für den unteren Teil des Motorhaubenscharniers war das Vorgehen bei dem Modellaufbau gleich, die Optimierung reduziert auch hier die Anzahl der Bauteile, und auch das Gewicht sinkt um fast 40 Prozent. Die erzeugte Struktur benötigt keine weiteren Anpassungen und kann direkt mit der in MSC Apex Generative Design integrierten Mesh-to-CAD-Funktionalität in ein auf NURBS-basiertes CAD-Austauschformat übertragen werden. Insgesamt zeigen die Optimierungsergebnisse sehr gute, homogene Spannungsverläufe und sorgen für eine Gewichtseinsparung von 53 Prozent für diese Baugruppe. Auch die Bauteilanzahl ist gemäß der Zielsetzung von der Software auf 6 anstatt original 19 Bauteilen signifikant reduziert worden.

Fertigungssimulation für generatives Design

Die Prozesssimulation mit Simufact Additive konnte zwei wesentliche Herausforderungen für den Druck des Bauteils lösen: Die Stützstrukturoptimierung und die Kompensation von Verzügen. Die von MSC Apex Generative Design generierten Geometriedaten wurden dabei in die Simulationssoftware Simufact Additive geladen und innerhalb weniger Stunden vollständig berechnet. Der gesamte Produktionsprozess inklusive Nachbearbeitung lässt sich in die Software eintragen und simulieren, entsprechend also auch zum Beispiel das Entfernen von der Druckplatte und eine mögliche Wärmenachbehandlung etc.

Generatives Design
Zur Unterstützung der langen Strebe wurden zwei weitere Streben nachträglich in das Optimierungsergebnis eingefügt und mit weiteren Berechnungsiterationen sauber eingefügt und angebunden. Bild: Hexagon

Um ein nahezu optimales Druckergebnis mit wenig Supportstrukturen zu ermöglichen, kann die Software die Orientierung für den Druck optimieren. Ebenso lassen sich auch auftretende Verzüge während des Druckprozesses ermitteln und die CAD-Geometrie automatisch so modifizieren, dass sie am Ende sehr nah an der Soll-Geometrie liegt. Mit dieser Methode konnte bei der unteren Bauteilgruppe der Verzug von über 2mm auf unter 0,2 mm reduziert werden, bei dem oberen Bauteil von 4 mm auf 0,42 mm. Mit Hilfe dieser Simulation lässt sich somit eine fehlerfreie Produktion sicherstellen.

Fazit

Mit MSC Apex Generative Design konnte die vormals schwere und umfangreiche Baugruppe neu designt werden. Zusammen mit den Projektpartnern ist so ein innovatives Motorhaubenscharnier realisiert worden.

Von Dr. Gereon Deppe.

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