16.09.2013 – Kategorie: Hardware & IT
Geplanter Ausbau der ICE-Trasse in Bamberg: 3D-Stadtmodell in der Cloud
Bamberg liegt an der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke München-Berlin, die zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit gehört. Mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde sollen ICEs und Güterzüge in Zukunft durch die oberfränkische Stadt fahren. Die Planungen der Deutschen Bahn AG sahen vor, die ICE-Trasse auf vier Gleise auszubauen und mit hohen Lärmschutzwänden einzurahmen. Auf einer Strecke von vier Kilometern sollte sich die bis zu sechs Meter hohe Mauer mitten durch die Stadt ziehen. Betriebsverlagerungen sowie Eingriffe in die Bausubstanz, in Wasserschutzzonen sowie in gärtnerische Nutzflächen wären unausweichlich.
Die Pläne der Bahn zum Ausbau der ICE-Trasse durch die Domstadt weckten bei vielen Bürgern und Kommunalpolitikern Skepsis. Kritisiert wurde nicht nur die drohende hohe Lärmbelästigung für die Anwohner. Man befürchtete auch, den UNESCO-Welterbe-Status zu verlieren, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutzwälle gebaut und dadurch Sichtachsen auf die historischen Denkmäler zerstört würden. Der Verlauf der Gleise würde zwar nur am Rand der Grenzen des Welterbes entlangführen, doch konkrete Auswirkungen waren nicht absehbar. Um ein genaues Bild zu erhalten, hat das Stadtplanungsamt Bamberg die zweidimensionalen DB-Planungen in ein 3D-Stadtmodell einpflegt. So sollten die Auswirkungen des Vorhabens für alle Beteiligten nachvollziehbar visualisiert werden. Zum Einsatz kam dabei die Infrastruktur-Lösung Autodesk Infraworks (ehemals Autodesk Infrastructure Modeler).
Viele Konfliktpunkte, eine Lösung
Karl-Heinz Schramm ist im Stadtplanungsamt Bamberg im Sachgebiet Flächennutzungsplanung, Stadtentwicklung, Vermessung für das GIS zuständig. „Unser Ziel war es, Bürgern, Politikern und allen anderen Interessierten mittels eines 3D-Modells eine möglichst genaue und detaillierte Übersicht über die Planung der Deutschen Bahn AG zu vermitteln. Dazu mussten alle vorhandenen Infrastrukturdaten aus den verschiedensten Quellen zusammengeführt und anschließend visualisiert werden“, sagt Schramm. Der Diplomgeograf setzt sich seit Jahren mit den Themen 3D und Visualisierung auseinander. „Wir haben bereits einige Erfahrung mit 3D gesammelt. Doch wir standen vor einer sehr großen Herausforderung, als wir dieses hochsensible, komplexe Projekt mit Tausenden von Gebäuden visualisieren wollten.“
Das Sachgebiet suchte nach einer Lösung, die die komplexe Situation erfassen und darstellen konnte. „Unser Ziel war es, möglichst umfangreich und mit den modernsten technischen Möglichkeiten allen Interessierten den Zugang zu Projektinformationen zu ermöglichen. Alle Medien sollten eingesetzt, alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden, um möglichst schon im Vorfeld der Trassenlegung eine breite Informationsebene aufzubauen“, sagt der Verantwortliche für die Visualisierung beim ICE Ausbauprojekt der Deutschen Bahn. Diese Ansprüche erfüllte Autodesk Infraworks.
Die Software für die Entwurfsplanung unterstützt Projektingenieure, GIS- und Planungsexperten beim Entwurf, der Überprüfung und Kommunikation von Infrastrukturmaßnahmen im Kontext der bestehenden Umgebung. Der Leitgedanke ist, die Planung auf Grundlage des real Existierenden voranzutreiben. Genau dies ist die leistungsstärkste Funktion der Software – die Möglichkeit, die tatsächliche Umgebung realistisch abzubilden und geplante Infrastrukturen in diesem Kontext zu untersuchen.
Mit branchenspezifischen Skizzierwerkzeugen können Straßen-, Wasser- und Geländeobjekte in Zusammenhang mit den gegebenen Bedingungen festgehalten, modelliert und visualisiert werden, und zwar direkt in 3D. Indem aus frei verfügbaren GIS-, BIM-, CAD- und Rasterdaten 3D-Modelle einer Infrastruktur erstellt werden können, werden Arbeitsabläufe bei der Entwurfsplanung gestrafft. 2D-Daten der Verkehrsflächen, Gebäudegrundrisse und Kanalsysteme lassen sich schnell in 3D-Modelle umwandeln. Auch die Überlagerung mit GIS-Daten, beispielsweise Grundstücksgrenzen, ist möglich. Mit Straßenwerkzeugen werden Verschneidungen automatisch dargestellt, so dass sich 3D-Profilkörper einfacher analysieren lassen.
Projektauswirkungen in 3D
Projekte dieser Komplexität hatte das Stadtplanungsamt Bamberg bisher noch nicht realisiert. Nicht zuletzt dank der aktiven Unterstützung eines erfahrenen Autodesk-Partners, den Schildwächter Ingenieuren aus Kaiserslautern, stellte sich Bamberg dieser Herausforderung. Mit Autodesk Infraworks wurden zunächst alle vorhandenen Daten zusammengeführt: Geländemodelldaten, Vermessungsdaten, Daten von der Bahn mit Angaben zur Höhe der Lärmschutzwände usw. Auf dieser Grundlage wurde ein 3D-Stadtmodell von Bamberg erstellt und die geplanten Lärmschutzwände in das dreidimensionale Modell eingefügt. „Wir wollten keine High End Renderings erstellen, sondern mit einem gewissen Realitätsanspruch den Bürgern ermöglichen, ihr Haus im 3D-Modell zu erkennen. Hierfür haben wir einige wenige Points of Interest volltexturiert, das heißt, die Oberflächenbeschaffenheit einiger markanter Bauten ausgearbeitet.“ Die 3D-Animationen wurden im Internet zur Verfügung gestellt. „Wir haben insgesamt 18 Videos mit 3D-Darstellung zu einzelnen Streckenabschnitten erstellt. Jeder Bamberger kann so selbst überprüfen, wie die Sicht von seinem Haus aus sich durch die Lärmschutzwände verändern würde und hat ein Bild der Domstadt im Jahr 2017 vor Augen. Dazu muss nur der gewünschte Bereich ausgewählt und per Mausklick das Video gestartet werden. Die hohen Zugriffszahlen sprechen für sich“, sagt Schramm. In der Simulation wurde das Ausmaß des Baus für alle sichtbar.
Von den Möglichkeiten von Autodesk Infraworks war das Bamberger Stadtplanungsamt schnell überzeugt: „Mit Infraworks können wir Probleme lösen, die wir vorher nicht aus der Welt schaffen konnten. Vorhandene Bestandsdaten können eingearbeitet und neue Projektvorschläge anschaulich modelliert werden. Wir haben die Möglichkeit, verschiedenste Tools zu nutzen, um die Bürger und Politiker zu informieren: Wir können Viewer für die Betrachter bereitstellen, damit sie interaktiv Szenen beobachten können, wir können Filme drehen, wir können eine gemeinsame Cloud einrichten – wir können Interessierten alle modernsten Medien, die es derzeit gibt, zur Verfügung stellen.“
Bamberg in der Cloud
Auch hinsichtlich der Datenaustauschmenge bietet Autodesk Infraworks große Vorteile: „Früher mussten alle großen Daten über CDs oder Shareprogramme und Webservices ausgetauscht werden, jetzt geht alles über den Cloud-Service BIM 360 von Autodesk“, sagt Schramm. Autodesk BIM 360 Cloud Services ermöglichen es, den Prozess in die Cloud auszulagern und überall und zu jeder Zeit Zugang zu Projektinformationen über den gesamten Lebenszyklus einer Infrastruktur zu haben. „Durch Workflows mit Cloud-Anbindung können wir besser mit allen Beteiligten zusammenarbeiten und unsere Daten für den interessierten Bürger verfügbar machen. Jeder ist in der Lage, sich unkompliziert über den Stand des Projekts zu informieren“, sagt Karl-Heinz Schramm. Cloud-basierte Dienste verändern die Zusammenarbeit in Echtzeit sowie die Verwaltung und Verteilung von Daten grundlegend. Es werden mehr Transparenz, ein besseres Verständnis und damit bessere Ergebnisse erzielt.
Welterbe-Status erhalten
Der erste Schritt ist getan: Die erste Planung der Deutschen Bahn AG zum Ausbau der ICE-Strecke durch Bamberg ist visualisiert und für alle zugänglich. Die Bürger sind informiert und können sich an der Meinungsbildung beteiligen. Nun geht es darum, in Gesprächen die beste Lösung für alle Beteiligten herauszuarbeiten. „Auch den nächsten Vorschlag der Deutschen Bahn werden wir visualisieren und nach außen kommunizieren“, sagt Schramm. Profitieren kann die Stadt Bamberg dabei von der Möglichkeit von Autodesk Infraworks, verschiedene Vorschläge zu erzeugen und im Vergleich bewerten zu können. Die Werkzeuge für die Verwaltung von Projektvorschlägen ermöglichen ein schnelles Wechseln zwischen den verschiedenen Alternativen, um deren Auswirkungen auf die vorhandene Umgebung zu vergleichen.
Karl-Heinz Schramm resümiert: „Die Arbeit mit Autodesk Infraworks macht großen Spaß. Als Planer kann man mit der Lösung endlich sein Wissen und seine Vorstellungen umsetzen. Mit dem richtigen Handwerkszeug können Ziele erreicht werden.“ Der Weltkulturerbe-Status der Stadt Bamberg steht dabei im Fokus des Einsatzes. (anm)
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