12.08.2022 – Kategorie: GIS & Infrastruktur
Infrastrukturbau: Wie das Metaverse hilft immersiv zu planen und zu bauen
Infrastrukturbauten sollen nicht nur sicherer und leistungsfähiger werden, sondern auch nachhaltiger. Digitale Zwillinge für die Infrastrukturplanung helfen dabei, diese Aufgaben zu bewältigen.
Um die virtuellen, immersiven 3D-Umgebungen des Metaverse erweitert, können sie das noch besser. Was es dafür im Infrastrukturbau braucht, erläutert Lori Hufford, Vice President Application Integration bei Bentley Systems.
Die Vorteile von Metaverse für den Infrastrukturbau
Was bedeutet Metaverse für die Infrastruktur und warum brauchen wir es für die Infrastruktur?
Lori Hufford: Wir müssen unsere Beziehung zur Natur verbessern. Die Infrastrukturplanung bildet eine Schnittstelle von digitalen Zwillingen, dem Metaverse und der physischen Welt. Sie ist die perfekte Möglichkeit, Teams und Talente von überall her zusammenzubringen, um diese Aufgabe zu meistern.
Ein digitaler Zwilling im Infrastrukturbau ist eine digitale Darstellung der physischen Welt, die kontinuierlich mit Informationen aus der physischen Welt aktualisiert wird. Sie muss umfangreiche technische BIM-Daten enthalten und in der Lage sein, Veränderungen unter realen Bedingungen mit IoT-Geräten wie Sensoren und Drohnen zu verfolgen und anschließend zu visualisieren. Infrastrukturplanung, -bau und betrieb sind auf digitale Zwillinge angewiesen, die Präzision im Millimetermaßstab bieten und komplexe technische Schemata unterstützen.
Wo kommt das Metaverse ins Spiel? Das Metaverse ermöglicht es Menschen, diese digitalen Zwillinge zu teleportieren oder in sie einzutauchen. Sie können die physische Welt mit Informationen von digitalen Zwillingen erweitern, während sie die Infrastruktur entwerfen, bauen und betreiben.
Welche Rolle spielen Nvidias Omniverse-Plattform und die iTwin-Cloud-Plattform von Bentley Systems dabei?
Hufford: Bentley Systems erweitert die iTwin-Plattform durch die Integration mit Nvidia Omniverse, um eine Grafik-Pipeline für künstliche Intelligenz, verbesserte Echtzeitvisualisierung und Simulation digitaler Zwillinge in der Infrastruktur zu schaffen. Durch diese Integration können millimetergenaue digitale Inhalte in hoher technischer Qualität mit fotorealistischen Licht- und Umwelteffekten visualisiert werden – und zwar über Webbrowser, Tablets, Workstations, Virtual Reality- und Augmented-Reality-Headsets von überall auf der Welt.
Worin ergänzen sich Metaverse und digitaler Zwilling?
Hufford: Metaverse ist ein Konzept, das die Zusammenarbeit über einen immersiven digitalen Zwilling erleichtert. Es ermöglicht den Infrastrukturfachleuten, ihre Projekte immersiv und kollaborativ zu planen, zu bauen und zu betreiben. Es ist wichtig, dass diese Zusammenarbeit und das Teilen der Daten bestehende Workflows ergänzt und erweitert.
Augmented Reality und Cloud-Integration
Was wären denn die Vorteile der Verwendung dieser Technologien und Lösungen im Infrastrukturbau?
Hufford: Ich möchte eigentlich über alle Phasen sprechen: Design, Konstruktion und Betrieb. Sie sind zyklisch und profitieren voneinander. Während des Designs interagieren Menschen mit digitalen Zwillingen, um weltweit interdisziplinäre Entwurfsprüfungen über Lieferketten hinweg durchzuführen und Modelle, Realität, Kontakte und Karten einzubeziehen. Sie identifizieren Probleme und visualisieren Änderungen, kommunizieren mittels Mark-ups und verwenden digitale Tools für die Validierung der Designs.
Während des Baus verwenden führende Unternehmen Augmented Reality-Systeme, um den Bauablauf zu visualisieren und zu überprüfen. Dies minimiert das Risiko und führt zu besseren Ergebnissen. Und mithilfe der virtuellen Welt lässt sich der Bauprozess rationeller gestalten. Während des Betriebs können auf Augmented Reality basierende digitale Zwillinge verwendet werden, um die Sicherheit durch Simulationen, Wartung, Schulungen oder sogar Ferninspektionen zu gewährleisten.
Können Sie uns bitte ein Beispiel dafür nennen?
Hufford: Ich möchte über das Projekt ITER sprechen. Mehr als 35 Länder arbeiten hier zusammen, um in Frankreich den weltweit größten Tokamak-Kernfusionsreaktor zu bauen, der die Machbarkeit dieser Technologie zeigen soll. Die Kernfusion wäre eine kohlenstofffreie Energiequelle, die auf denselben Prinzipien beruht, nach denen Sonne und Sterne Energie umsetzen. Dieser Reaktor ist ein riesiges Bauprojekt mit komplexen technischen Modellen und Millionen von Teilen.
Er muss außerhalb des Standorts gebaut und dann an Ort und Stelle gebracht werden. Ein digitaler Zwilling ermöglicht es den Projektbeteiligten, in die Anlage einzutauchen und über die gesamte komplexe Lieferkette hinweg zusammenzuarbeiten. Daher wurden die Modelle aus CATIA in die Software Synchro übertragen, die auf der iTwin-Plattform für die 4D-Konstruktionsmodellierung und -sequenzierung basiert.
Unreal Engine und Omniverse mit CloudXR sorgen für die erstaunlich immersive Erfahrung. Die hohe Wiedergabetreue ist hier wirklich wichtig, und wir dürfen die Komplexität des Modells nicht reduzieren. Es ist das erste Mal, dass dieser Kunde sich virtuell in seinem Modell aufhalten kann. Fotorealistische Beleuchtung verbessert das Erlebnis des digitalen Zwillings in der Infrastruktur. Und dieser enthält alle technischen Daten, die erforderlich sind, um die Erfahrung voll zu nutzen.
Infrastrukturbau: Sanierung mit Einsatz künstlicher Intelligenz
Viele der bestehenden Infrastrukturen müssen in den nächsten Jahren saniert werden oder es gilt, den
Sanierungsbedarf erst noch zu ermitteln. Welchen Beitrag kann das Metaversum dazu leisten?
Hufford: Ein gutes Beispiel dafür sind Remote-Brückeninspektionen. Da gibt es einen großen Bedarf, wie Sie erwähnt haben. Brückeninspektionen sollen die Sicherheit gewährleisten und notwendige Wartungsarbeiten identifizieren. Das kann vor Ort gefährlich und zeitaufwändig sein. Wie kann hier das Metaverse helfen? Nun, es muss einen hohen Detaillierungsgrad aufweisen und so in der Lage sein, Risse, Rost und andere Fehler sichtbar zu machen. Daher werden Drohnen eingesetzt, um Realitätsmodelle von Brücken zu erstellen. Und dann verwenden die Inspektoren XR-Brillen wie die HoloLens, um die resultierenden Modelle zu überprüfen. Somit können die Ingenieure mehr Inspektionen in kürzerer Zeit durchführen, das Reisen reduzieren und durch die Remote-Arbeit ihre Sicherheit verbessern.
Inwieweit lassen sich hier Methoden der künstlichen Intelligenz einsetzen?
Hufford: Sie können die Visualisierung und Simulation unterstützen, also viele der Anwendungsfälle für den Infrastrukturbau. Digitale Zwillinge und das Zusammenspiel zwischen Bentley iTwin und Nvidia Omniverse bieten umfassende 3D- und 4D-Erlebnisse in Echtzeit.
Das ermöglicht realitätsgetreue physik-basierte Simulation selbst der größten und komplexesten Infrastrukturanlagen. GPU-Computing verändert also die Welt des Ingenieurwesens und des Bauwesens und verspricht, das Potenzial künstlicher Intelligenz für Simulation und fortschrittliche Analytik in digitalen Zwillingen im Infrastrukturbau freizusetzen.
Was müssen Bauunternehmen beachten, wenn sie immersive Technologien einführen und nutzen wollen?
Hufford: Das ist eine gute Frage. Es ist wichtig, die Benutzer dort abzuholen, wo sie gerade sind. Wir arbeiten daran, diese Technologien in bestehende Workflows und Prozesse zu integrieren.
Sie sollten auch die speziellen Anforderungen der Infrastruktur berücksichtigen, und ich habe mehrere davon erwähnt. Workflows und Prozesse sollten so ausgestaltet sein, dass die Mitarbeiter nicht von vorne beginnen müssen.
Technologie für alle nutzbar machen
Es gibt eine große wirtschaftliche Unsicherheit. Inwieweit können hier auch kleinere Unternehmen mit ins Boot geholt werden?
Hufford: Die Produktisierung dieser Technologien demokratisiert den Zugang für kleinere Unternehmen. Diese Unternehmen benötigen dann keine spezialisierten Computergrafik-Experten, um einzigartige oder kundenspezifische Lösungen zu entwickeln. Sie können sich darauf konzentrieren, ihre bestehenden Workflows mit dieser Technologie zu erweitern.
Welche Standards halten Sie für besonders wichtig, um den 3D-Datenaustausch zu gewährleisten?
Hufford: Entscheidend sind hier Konzepte wie Offenheit und Skalierbarkeit. Es gibt nicht die eine Lösung für alle Probleme. Technologien auf der Grundlage offener Standards sind skalierbar und fördern die Integration, Synchronisation und Harmonisierung von Daten.
Wir können auch unmöglich alle Anwendungen selbst erstellen, die unsere Anwender benötigen. Deshalb engagieren wir uns für offene Lösungen und erweitern und integrieren unsere iTwin-Plattform mit Nvidia Omniverse.
Wie könnte Ihrer Meinung nach die Infrastruktur in den kommenden Jahren noch besser geplant, betrieben, gewartet und saniert werden?
Hufford: Die Kommunikation wird sich weiterentwickeln. Eine Vielzahl von Technologien wird dann im Alltag integriert werden, einschließlich Augmented und Virtual Reality. So können wir beispielsweise Anlagen, die Alarm schlagen, wenn sie fehlerhaft arbeiten und eine Wartung erforderlich wäre oder sogar Wartungspersonal durch ihre Reparaturprozesse führen.
Und ich kann mir vorstellen, dass die Fähigkeit wächst, Talente richtig einzusetzen, um Infrastruktur zu entwerfen, zu bauen und zu betreiben. Nehmen wir an, ein Experte in Europa wird benötigt, um ein bestimmtes Thema oder eine Entscheidung abzuwägen. Er oder sie kann dann in einer virtuellen Umgebung mit Kollegen auf der ganzen Welt zusammenarbeiten, um schnell zu einer Lösung zu kommen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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