27.04.2017 – Kategorie: Branchen, Fertigung & Prototyping, Werkstoffe

Komplette Gebäude per 3D-Druck errichten

Die Liste der Werkstoffe, die sich mit 3D-Druck verarbeiten lassen, wird immer länger. Sie umfasst nicht nur Plastik, sondern auch Metall, Glas und sogar Lebensmittel. Nun erweitern Wissenschaftler diese Liste noch einmal, indem sie ein System für den 3D-Druck der Grundstruktur eines Gebäudes entwickeln.

Die Liste der Werkstoffe, die sich mit 3D-Druck verarbeiten lassen, wird immer länger. Sie umfasst nicht nur Plastik, sondern auch Metall, Glas und sogar Lebensmittel. Nun erweitern Wissenschaftler diese Liste noch einmal, indem sie ein System für den 3D-Druck der Grundstruktur eines Gebäudes entwickeln.

Die mit diesem System errichteten Strukturen ließen sich schneller und preisgünstiger herstellen als es traditionelle Bauweisen erlaubten, so die Forscher. Ein Bauwerk könnte vollständig auf die Anforderungen eines besonderen Orts oder die Wünsche der Auftraggeber maßgeschneidert werden. Selbst die innere Bauweise sei auf eine neue Art modifizierbar, verschiedene Werkstoffe ließen sich während des Prozesses einsetzen und die Materialdichte könnte variieren, um eine optimale Kombination aus Festigkeit, Isolation und anderen Eigenschaften zu garantieren.

Und schließlich könnte das Konzept Entwurf und Bau neuer Bauformen ermöglichen, die sich mit traditionellen Bauverfahren nicht umsetzen ließen.

Frei beweglich für Objekte jeglicher Größe

Das roboterbasierte System wird im Journal Science Robotics in einem Aufsatz von Dr. Steven Keating, Mechanical Engineering, Julian Leland und Levi Cai, Mediated Matter Group; und Neri Oxman, Professor of Media Arts and Sciences, beschrieben. Es besteht aus einem Fahrzeug, das einen großen Roboterarm trägt, der wiederum über einen kleineren Roboterarm an seinem Ende für Präzisionsbewegungen verfügt. Dieser enorm einstellbare Arm kann dann jegliche konventionelle (oder unkonventionelle) Düse für den Bau führen, etwa solche für den Auftrag des Betons oder das Sprühen von Isolationsmaterial, aber auch weitere Werkzeuge, wie Fräsköpfe.

Anders als typische 3D-Drucksystme, die meist eine Art umschlossene, fixierte Struktur für die Unterstützung der Düsen verwenden und die auf Baukomponenten begrenzt sind, die in den Bauraum hineinpassen, kann dieses frei bewegliche System Objekte in jeglicher Größe erstellen. Um die Praxistauglichkeit des Konzepts zu beweisen, haben die Forscher mit einem Prototypen die Grundstruktur der Mauern einer Kuppel mit rund 50 Metern Durchmesser und 3,7 Metern Höhe errichtet, wobei der Druck weniger als 14 Stunden in Anspruch nahm.

Autonomer Einsatz in abgelegenen Gebieten

Für diese ersten Tests erzeugte das System eine Form für die Betonstruktur. Die Formen aus Polyurethan-Schaum werden mit Beton ausgefüllt, ähnlich traditionellen Verfahren für den Formenbau isolierter Betonbauteile. Die Forscher konnten zeigen, dass sich das System einfach für bestehende Baustellen und Ausrüstungen anpassen lässt und dass es den vorhandenen Bauvorschriften genügt, ohne gänzlich neue Evaluierungen erforderlich zu machen.

Das System soll unabhängig arbeiten. Es ist mit einer Schaufel ausgestattet, die sowohl für die Vorbereitung der Oberflächen als auch für die Zuführung im Umkreis vorhandener Baumaterialien verwendet werden könnte. Die Lösung würde elektrisch angetrieben werden können, sogar mit Solarzellen. Die Idee dahinter ist, derartige Lösungen in abgelegenen Regionen einsetzen zu können, etwa in Entwicklungsländern, oder in Katastrophengebieten nach einem Sturm oder Erdbeben, um schnell haltbare Schutzbehausungen bereitzustellen. Keating, der die Entwicklung des Konzepts als Teil seiner Doktorarbeit leitete, stellt sich für die Zukunft ein vollkommen autonomes System vor, dass auf den Mond, den Mars oder in die Antarktis geschickt werden könne und dort über Jahre hinweg bauen könne.

Gebäude maßgeschneidert errichten

Die Baubranche arbeite heute noch so wie vor hundert Jahren, erklärt Keating. Die Gebäude seien rechtwinklig, bestünden meist aus einzelnen Materialien und würden mit Sägen und Nägeln und meist aus standardisierten Entwürfen zusammengebaut. Nun könnten Gebäude individualisiert werden und so gestaltet, dass sie die vor Ort gegebenen Verhältnisse berücksichtigten. Die Dicke der Mauern ließe sich variieren, abhängig von der Ausrichtung. Ein Haus könnte dickere, stärker isolierte Mauern an der Nordseite im kalten Klima oder Mauern, die sich mit der abnehmenden Traglast von unten nach oben verjüngten, erhalten, oder Bögen, die der Struktur helfen würden, dem Wind besser standzuhalten.

Die Entwicklung des Systems, von den Wissenschaftlern als Digital Construction Platform (DCP) bezeichnet, wurde von der Vision der Mediated Matter Group inspiriert, Gebäude ohne Teile zu entwerfen. Diese Vorstellung umfasst etwa die Kombination von Tragwerk und Außenhülle, Balken und Fenstern in einem einzigen Produktionsprozess und die Umsetzung mehrerer Planungs- und Bauprozesse, während die Struktur entsteht.

Aus der Perspektive der Architektur meint Neri Oxman würden traditionelle Bautypologien in Frage gestellt werden, wie Mauern, Böden, Fenstern. Mit DCP ließe sich ein einziges System errichten, dass seine Eigenschaften ständig ändern könne, um wandähnliche Elemente zu erschaffen, die kontinuierlich in Fenster übergingen.

Dafür lassen sich die Düsen des 3D-Druck-Systems anpassen, um die Dichte des aufgetragenen Materials zu variieren und sogar im Prozess verschiedene Materialien zu mischen. Das Gerät in den ersten Tests schuf eine Hülle aus isolierendem Schaum, die nach dem Gießen des Betons an der Stelle belassen wurde; die Materialien für die inneren und äußeren Oberflächen ließen sich direkt auf den Schaum auftragen.

Mit der Lösung lassen sich sogar komplexe Formen und Überhänge gestalten, wie anhand eines breiten, innerhalb der Kuppel eingebauten Vorsprungs demonstriert wurde. Leitungen und Rohre lassen sich in die Form vor dem Guss des Betons einfügen. Zudem ist die Lösung in der Lage, während des Prozesses vor Ort gewonnene Daten zu sammeln und nutzt dafür integrierte Sensoren für Temperatur, Licht und andere Parameter, um die Struktur während des Baus anzupassen.

Komplexe Formen möglich

Die Untersuchungen des Teams würden zeigen, dass derartige Konstruktionsverfahren Gebäude schneller und kostengünstiger herstellen könnte, als die gegenwärtigen Verfahren und zumal auch wesentlich sicherer seien. Die Optimierung von Formen und Wandstärken je nach Bedarf anstelle vorgefertigter Elemente aus Holz oder anderen Materialien und die Reduktion des gesamten Materialaufwands seien weitere Vorteile.

Oxman sieht in der Fähigkeit, multifunktionale Strukturen zu planen und digital unterstützt in einem Zug zu fertigen, das biologische Zeitalter das der Maschinen ablösen. Das Gebäude ließe sich dann als Organismus betrachten, digital herangezüchtet, additiv gefertigt und möglicherweise biologisch erweitert.


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