01.06.2022 – Kategorie: Fertigung & Prototyping

Komplexe und präzise Geometrien: 3D-Druck mit Ultraschall

Ultraschall: Neuartige Lösung für den 3D-DruckQuelle: Concordia University

Forschende an der kanadischen Concordia University haben eine 3D-Drucktechnologie entwickelt, die nicht wie die herkömmlichen Verfahren auf Licht oder Wärme, sondern auf Schall setzt.

  • Laut Forschenden an der kanadischen Concordia University hat der 3D-Druck mit Ultraschall das Potenzial, die additive Fertigung entscheidend zu verändern.
  • Die von ihnen entwickelte Plattformtechnologie nutzt Ultraschallwellen, um komplexe und präzise Objekte zu erstellen.
  • Dabei soll die Vielseitigkeit der entsprechenden Technologie namens Direct Sound Printing den Branchen zugute kommen wird, die auf hochspezifische und empfindliche Geräte angewiesen sind.

Die meisten derzeit verwendeten 3D-Druckverfahren beruhen entweder auf photo- (Licht) oder thermo- (Wärme) aktivierten Reaktionen. Somit lassensich die genutzten Polymeren präzise manipulieren. Die Entwicklung einer neuen Plattformtechnologie namens Direct Sound Printing (DSP), die Ultraschall zur Herstellung neuer Objekte nutzt, könnte nun eine dritte Möglichkeit bieten.

Das Verfahren wird in einem in Nature Communications veröffentlichten Artikel beschrieben. Es zeigt, wie sich fokussierter Ultraschall verwendet lässt, um sonochemische Reaktionen in winzigen Kavitationsbereichen – im Wesentlichen winzige Blasen – zu erzeugen. Durch extreme Temperatur- und Druckschwankungen, die nur Billionstel Sekunden andauern, lassen sich komplexe Geometrien erzeugen, die mit den bisherigen Techniken nicht möglich sind.

„Ultraschallfrequenzen werden bereits bei abtragenden Verfahren wie der Laserablation von Gewebe und Tumoren eingesetzt. Wir wollten sie nutzen, um etwas zu erschaffen“, sagt Muthukumaran Packirisamy, Professor und Concordia-Forschungslehrstuhlinhaber in der Abteilung für Maschinenbau, Industrie- und Luft- und Raumfahrttechnik an der Gina Cody School of Engineering and Computer Science. Er ist der korrespondierende Autor der Studie.

Mohsen Habibi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Concordia Optical-Bio Microsystems Lab, ist der Hauptautor der Studie. Sein Laborkollege und Doktorand Shervin Foroughi und der ehemalige Masterstudent Vahid Karamzadeh sind Co-Autoren.

Ultraschall für präzise Reaktionen

Die DSP beruht auf chemischen Reaktionen, ausgelöst durch schwankenden Druck in winzigen, in einer flüssigen Polymerlösung suspendierten Bläschen.

„Wir haben herausgefunden, dass wir, wenn wir eine bestimmte Art von Ultraschall mit einer bestimmten Frequenz und Leistung verwenden, sehr lokale, sehr fokussierte chemisch reaktive Regionen erzeugen können“, sagt Habibi. „Im Grunde können die Blasen als Reaktoren verwendet werden, um chemische Reaktionen anzuregen, die flüssiges Harz in feste oder halbfeste Stoffe umwandeln.“

Die Reaktionen, die durch die von Ultraschall angeregte Schwingung im Inneren der mikroskopisch kleinen Blasen ausgelöst werden, sind intensiv, dauern aber nur wenige Sekunden. Die Temperatur im Inneren des Hohlraums schießt auf etwa 15’000 Kelvin hoch und der Druck übersteigt 1’000 bar (der Druck an der Erdoberfläche auf Meereshöhe beträgt etwa 1 bar). Die Reaktionszeit ist so kurz, dass sie das das umgebende Material nicht beeinträchtigt.

Die Forscher experimentierten mit einem in der additiven Fertigung verwendeten Polymer namens Polydimethylsiloxan (PDMS). Sie verwendeten einen Schallkopf, um ein Ultraschallfeld zu erzeugen, das die Hülle des Baumaterials durchdringt, das gewünschte flüssige Harz verfestigt und es auf einer Plattform oder einem anderen zuvor verfestigten Objekt ablagert. Der Wandler bewegt sich entlang einer vorgegebenen Bahn und erzeugt schließlich Pixel für Pixel das gewünschte Produkt. Die Parameter der Mikrostruktur können durch Einstellung der Dauer der Ultraschallfrequenz und der Viskosität des verwendeten Materials beeinflusst werden.

Anwendung von Ultraschall für den 3D-Druck. Quelle: Concordia University

Vielseitig und spezifisch

Die Autoren sind der Meinung, dass die Vielseitigkeit von DSP den Branchen zugute kommen wird, die auf hochspezifische und empfindliche Geräte angewiesen sind. Das Polymer PDMS kommt zum Beispiel häufig in der Mikrofluidik zum Einsatz. Dort benötigen die Hersteller kontrollierte Umgebungen (Reinräume) und ausgefeilte lithografische Techniken, um medizinische Geräte und Biosensoren herzustellen.

Auch in der Luft- und Raumfahrttechnik und bei Reparaturen ließe sich DSP einsetzen. Denn Ultraschallwellen können undurchsichtige Oberflächen wie Metallhüllen durchdringen. Somit könnte das Wartungspersonal Teile reparieren, die sich tief im Flugzeugrumpf befinden und für Drucktechniken, die auf photoaktivierten Reaktionen beruhen, unzugänglich wären. DSP könnte sogar medizinische Anwendungen für das ferngesteuerte Drucken im Körper von Menschen und anderen Tieren zeitigen.

„Wir haben bewiesen, dass wir mehrere Materialien drucken können, darunter Polymere und Keramiken“, sagt Packirisamy. „Als nächstes werden wir Polymer-Metall-Verbundwerkstoffe ausprobieren, und schließlich wollen wir mit dieser Methode auch Metall drucken.“

Bild: Muthukumaran Packirisamy, Mohsen Habibi und Shervin Foroughi: „Ultraschallfrequenzen werden bereits bei destruktiven Verfahren wie der Laserablation eingesetzt. Wir wollten sie nutzen, um etwas zu erschaffen.“

Die Studie wurde von Aligo Innovation, Concordia und dem Fonds de recherche du Québec – Nature et technologies (FRQNT) finanziert.

Lesen Sie den zitierten Beitrag: „Direct Sound Printing“

Weitere Informationen: https://www.concordia.ca/

Lesen Sie auch: „Health Check: Wie sich Ausfallrisiken für Industriemaschinen minimieren lassen“


Teilen Sie die Meldung „Komplexe und präzise Geometrien: 3D-Druck mit Ultraschall“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top