06.09.2021 – Kategorie: Technik

Kugelgewindetriebe: So läuft es wieder richtig rund

KugelgewindetriebeQuelle: August Steinmeyer

Seit den 1960er Jahren hat sich August Steinmeyer auf die Entwicklung und Produktion von Kugelgewinde­trieben spezialisiert. Im Rahmen der Weiterentwicklung und Optimierung seiner Produkte hat das Unternehmen jüngst ein neues Gewindeschleifverfahren für die Spindeln seiner Produkte etabliert. Damit kann ein sanfterer Lauf der Mutter erzielt werden. In umfangreichen Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass sich die verbesserten Laufeigenschaften positiv auf Lebensdauer und Qualität der Kugelgewindetriebe auswirken.

Ob Werkzeug- oder Sondermaschinen, Medizin- oder Messtechnik, Robotik oder Handling, Luft- oder Raumfahrt – Kugelgewindetriebe kommen in in unterschiedlichen Branchen zum Einsatz. Dabei kommt es immer auf die Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Präzision der verbauten Komponenten an.

Kugelgewindetriebe: Das macht ein gutes Produkt aus

Wichtige Beurteilungskriterien für die Qualität von Kugelgewindetrieben sind Laufruhe, Geräuschentwicklung, Vibrationen, Einlaufverhalten und Energieeffizienz. „Um den steigenden Anforderungen unserer Kunden an die Qualität unserer Kugelgewindetriebe gerecht zu werden, haben wir jüngst unsere Schleifprozesse optimiert,“ berichtet Diplom-Ingenieur Nima Jandaghi, Leiter des Bereichs Technologie bei August Steinmeyer. „Wir haben nicht nur die Kühlung, Spülung und Reinigung verbessert, sondern auch die Werkzeugauswahl und die Prozessparameter erweitert, die beim Schleifen des Spindelgewindes eine Rolle spielen.“

Spindeln mit geschliffenem Kugelgewinde machen derzeit einen Umsatzanteil von rund 80 Prozent aus. Sie können mit sehr hohen Genauigkeiten gefertigt werden. „Spindeln mit gerolltem oder gewirbeltem Kugelgewinde sind hingegen stark abhängig vom Materialverhalten und deshalb nicht immer auf einem solch hohen Genauigkeitsniveau herstellbar, wie die geschliffenen Varianten“, erklärt Jandaghi. Im Hause August Steinmeyer durchgeführte Untersuchungen belegen, dass selbst bei der geschliffenen Variante durchaus mikroskopische Unregelmäßigkeiten auf der Laufbahnoberfläche des Spindelgewindes entstehen können. Diese mit einer kürzeren Lebensdauer der Kugelgewindetriebe einher.

Die August Steinmeyer GmbH hat ein neues Gewindeschleifverfahren für die Spindeln ihrer Kugelgewindetriebe etabliert, sodass ein sanfterer Lauf der Mutter erzielt werden kann. Bild: August Steinmeyer

Prozessparameter und Werkzeugwahl

Die Spezialisten aus der Forschung und Entwicklung des Kugelgewindetrieb-Herstellers befassten sich intensiv damit, durch die Optimierung des Schleifprozesses Abhilfe zu schaffen. Das Schleifen ist oft der letzte Teilprozess bei der Herstellung hochwertiger sowie präziser Komponenten für den Maschinen- und Anlagenbau und steht damit am Ende der Wertschöpfungskette. Dabei werden Funktionsflächen wie Lauf-, Sicht- und Dichtflächen mit hoher Oberflächengüte und sehr engen geometrischen Toleranzen erzeugt.

Ein leistungsfähiger und gleichzeitig sicherer Fertigungsablauf ist deshalb Voraussetzung für eine wirtschaftliche Produktion. Hochpräzises Gewindeschleifen gehört zu den Fertigungsprozessen, die ein außerordentliches Maß an Erfahrungen erfordern. Die Experten von August Steinmeyer wissen, worauf bei der Herstellung der komplexen Bauteile geachtet werden muss. In vielen Fällen wird deshalb beim Schleifen die Leistungsfähigkeit der Maschinen und Werkzeuge nicht voll ausgeschöpft, um die Prozesssicherheit nicht zu gefährden.

„Es kommt darauf an, die Prozessparameter optimal an die Fertigungszeiten und die erforderliche Qualität der Spindeln anzupassen“, so Jandaghi. „Allein durch Ausnutzung der vollen Leistungsfähigkeit der Maschine wird die Qualität nicht unbedingt verbessert.“ Neben den drei Kardinalgrößen Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit sowie Zustellung, hat vor allem die Auswahl der geeigneten Schleifwerkzeuge und deren Konditionierung, also das Profilieren, Abrichten, Strukturieren, Schärfen und Reinigen wesentlichen Einfluss auf das Prozessergebnis.

Zusetzungen, Reibung und Wärme

Mit zunehmendem Verschleiß des Schleifwerkzeuges ändern sich wichtige Prozesskenngrößen wie Normal- und Tangentialkräfte sowie die Maximaltemperatur in der Kontaktzone zwischen Werkzeug und Werkstück. Sogenannte Zusetzungen werden als beachtenswerte Größe im Verschleißmechanismus angesehen: Sie beschreibt das Anhaften von Teilen des Werkstückstoffes an den Schleifkörnern, bzw. das Festsetzen von Spänen in den Poren der Schleifscheibe. Zusetzungen verursachen eine starke Reibung und hohe Temperaturen in der Kontaktzone.

Sie können mit dem Werkstückstoff verschweißen und kleine Teile davon herausreißen, so dass die Oberfläche beschädigt wird. Bei einem weiteren Fortschreiten der Zusetzung kann so eine Veränderung der Makrostruktur der Schleifscheibe entstehen. Insbesondere scharfe Kanten werden dadurch stark beansprucht, zum Beispiel beim Nutenschleifen. In der Folge kann die Scheibe ihr Profil verlieren und so Maß- und Formfehler am Werkstück entstehen.

Der Schleifprozess ist zudem ein Bearbeitungsverfahren mit geometrisch unbestimmten Schneiden. Ein großer Teil der zugeführten mechanischen Energie wird in Wärme umgewandelt: Zum einen durch die Reibung und plastische Verformung des Werkstückstoffes beim Korneingriff, zum anderen während des Abscherens des Spans bei der Spanbildung. Ein großer Teil, der in der Schleifkontaktzone generierten Wärme, fließt ins Werkstück und kann damit thermische Schädigungen und Randzonenbeeinflussungen verursachen.

Verbessertes Kühlkonzept für Kugelgewindetriebe

Kühlschmierstoffe haben im Schleifprozess wichtige Aufgaben – nämlich die auftretenden Reibvorgänge durch eine gute Schmierwirkung zu reduzieren. Somit kann die Wärmebildung verringert und aus der Kontaktzone abgeführt werden. Darüber hinaus kann durch die Spülwirkung des Kühlschmierstoffes die Zusetzung der Schleifscheibe vermieden werden.

Um die Qualität geschliffener Werkstücke zu verbessern, hat August Steinmeyer in eine neue Öl-Anlage investiert, die höhere Drücke und eine bessere Filtrierung erlaubt. Zum anderen hat das Unternehmen auch neue Düsen für das Kühlen der Schleifkontaktzone und zusätzliche KSS-Düsen zur In-Prozess-Reinigung der Schleifscheibenoberfläche entwickelt und setzt diese nun ein. „Somit ist eine bessere Zufuhr des Kühlmediums in die Schleifkontaktzone und eine effektivere Reinigung der Schleifscheibe möglich,“ erklärt Jandaghi.

In der Folge reduzieren sich die Aufschweißungen auf dem Schleifkorn und es bilden sich keine Spannester in der Schleifscheibenpore, die Wärmezufuhr in das Werkstück verringert sich erheblich. Die innovative im eigenen Haus entwickelte Kühl- und Reinigungstechnologie setzt das Unternehmen auch erfolgreich in den Schleifprozessen bei der Herstellung von Spindelgewinden ein. Somit kann jegliche Kommabildung und Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche des Spindelgewindes vermieden werden.

Oberfläche steht für die Qualität

„Eines der wichtigsten Ergebnisse eines Schleifprozesses ist die Verfeinerung der Oberfläche des Werkstückes,“ betont Jandaghi. „Die Oberflächentopografie unserer Spindelgewinde konnte durch unser neues Schleifverfahren um ca. 50 Prozent verbessert werden“. Die Oberflächenrauheit beschreibt zusammen mit anderen Parametern wie geometrischer Genauigkeit oder Beschaffenheit die Qualität des geschliffenen Werkstückes. Die Rauheit wird von vielen Faktoren beeinflusst, darunter Scheibentopografie, Zusetzung, Verschleiß, Schnittbedingungen, Werkstückstoff und Schleifrichtung.

„Durch das reibungslose Zusammenspiel der gewählten Werkzeuge, also Schleifscheibe und Abrichtwerkzeug, sowie Schnittbedingungen mit einer optimierten Spülung der Schleifscheibe und Kühlung der Schleifkontaktzone, können wir das Endprodukt – also in unserem Fall die Spindel – in einer noch höheren Fertigungsqualität herstellen als bisher“, fasst Jandaghi zusammen. August Steinmeyer kann somit durch das verbesserte Schleifverfahren Kugelgewindetriebe anbieten, die den Anforderungen hochpräziser Anwendungen gerecht werden und die langlebig, wirtschaftlich und effizient sind.

Von Dipl.-Ing. Nima Jandaghi.

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