08.06.2016 – Kategorie: Hardware & IT

Leichtbau-Potenzial oft noch nicht ausgeschöpft

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Das weltweite Marktvolumen für Leichtbau im Transportsektor wird laut Studien von aktuell etwas mehr als 80 auf über 140 Milliarden Euro bis 2020 steigen. Größter Wachstumsmarkt ist neben dem Transportsektor der Maschinenbau. Kleine und mittlere Unternehmen könnten mehr Potenzial durch Leichtbau heben. Schlüssel sind hier Digitalisierung, Konstruktion und Multimaterial-Design. Zu diesem Ergebnis kamen Experten bei einem Fachgespräch auf dem 3. Technologietag Hybrider Leichtbau am 7. Juni 2016 in Stuttgart

Kleine und mittlere Unternehmen könnten noch deutlich mehr Potenzial durch Leichtbau heben. Schlüssel sind hier Digitalisierung, Konstruktion und Multimaterialdesign. Zu diesem Ergebnis kamen Experten bei einem Fachgespräch auf dem 3. Technologietag Hybrider Leichtbau am 7. Juni 2016 in Stuttgart Der Leiter des IFB Instituts für Flugzeugbau an der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Peter Middendorf, attestierte den Unternehmen hierzulande vor rund 250 Besuchern ein „signifikantes, oft nicht ausreichend ausgeschöpftes Leichtbaupotenzial“ im Bereich der Konstruktion und Auslegung von Strukturen und Systemen.

Er betonte zugleich die künftige Bedeutung von Simulation. Durch den konsequenten Aufbau eines digitalen Prototyps etwa liefere die virtuelle Abbildung einen „signifikanten Mehrwert“. Middendorf ist sich sicher, dass dieser Trend sich von der Forschung in die Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen und zu einer weiteren Einsparung von Gewicht und Ressourcen führen wird.

Der Direktor des DLR-Instituts für Bauweisen und Strukturtechnologie, Prof. Dr. Heinz Voggenreiter, unterstrich: „Wer die unterschiedlichen digitalen Daten entlang der Prozesskette einfach zu organisieren und bestmöglich zu nutzen weiß, wird im Wettbewerb der Leichtbaulösungen auf der Gewinnerseite stehen.“

Leichtbau-Komponenten bekommen digitales Gedächtnis

Die digitale Vernetzung von Produkten wird den Leichtbau vorantreiben, meinte ebenfalls der Head of Future Technology der Festo AG & Co. KG, Dr. Volker Nestle: „Leichtbauprodukte werden zunehmend als intelligente Komponenten entwickelt, die ein digitales Produktgedächtnis besitzen und alle relevanten Informationen zu ihrer Entstehung, Einsatzbedingungen, Restlebensdauer, Qualität etc. bei sich tragen und bei Bedarf zur Verfügung stellen können.“ Dies ermögliche eine erhebliche Beschleunigung der Produktentstehungsprozesse in verteilten Wertschöpfungsketten.

Ein enormes Zukunftspotenzial von Prozessinnovationen und Digitalisierung durch die Verknüpfung mit dem Thema Leichtbau sieht der Geschäftsführer der Freiformschmiede Edelstahl Rosswag GmbH, Dr. Sven Donisi: „Miteinander kommunizierende Prozesse und intelligente Strukturen, deren Fertigung heute nur sehr schwer zu realisieren ist, werden zukünftig etwa den Materialeinsatz auf ein Minimum reduzieren.“

Wichtig ist dabei, Leichtbau gleich zum Prozessbeginn einzuplanen. Das Mitglied des Vorstands bei der TECOSIM Venture AG, Udo Jankowski, riet, „das Thema Leichtbau schon in den frühen Konzeptphasen der heutigen Entwicklungsprozesse zu integrieren“.

KMU müssen künftig digital und vernetzt sein

Als „Produkt- und Prozessoptimierung per se“ mit „unabsehbaren Möglichkeiten“ wertete der Geschäftsführer der AtTrack GmbH, Dr. Ulrich W. Schiefer, die Digitalisierung im Leichtbau. Der Automobilexperte mahnte gleichzeitig, dass es sich gerade KMU in der Zukunft nicht leisten könnten, „nichtdigital und nichtvernetzt“ zu sein. Andernfalls würden die Transaktionskosten etwa zu den OEM viel zu hoch.

Auch der Hybride Leichtbau birgt nach Ansicht der Fachleute noch viele Möglichkeiten und Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen. Der Vice President Technology & Innovation der österreichischen voestalpine Metal Forming GmbH, Karl M. Radlmayr, sagte in einer Keynote, „erst durch die Verbindung der Stärken der unterschiedlichen Leichtbauwerkstoffe kann das volle Leichtbaupotenzial gehoben werden“.

Der Geschäftsführer der Leichtbau BW GmbH, Dr. Wolfgang Seeliger, prognostizierte zur Eröffnung der Konferenz, „die reine Materialsubstitution im Leichtbau wird weiterhin wichtig bleiben, wobei der Fokus mehr auf dem Multimaterialdesign liegen wird“. Mittelfristig stehe ein Paradigmenwechsel hin zu Konzept-Leichtbau an.

Technologietag 2017 zweitägig und internationaler

Beim 3. Technologietag Hybrider Leichtbau tauschten sich auf der Messe Stuttgart rund 250 Fachleute aus Industrie, Forschung und Politik in Gesprächsrunden, Keynotes und Techniksessions zu Themen wie neue Konzepte in Leichtbauweise, Produktionstechnik oder Methoden und Prozesse aus.

Der Technologietag hatte 2016 mit Österreich erstmals ein Partnerland, das mit einem Gemeinschaftsstand auf der Fachausstellung und einer Wirtschaftsdelegation vertreten war. Im kommenden Jahr soll das Event auf zwei Tage ausgeweitet sowie stärker international ausgerichtet werden.

Organisiert wird der Technologietag Hybrider Leichtbau von der Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg zusammen mit der Allianz Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg (AFBW), dem Carbon Composites Baden-Württemberg (CCBW) und dem Leichtbauzentrum Baden-Württemberg (LBZ). Partner sind der VDMA Baden-Württemberg und LVI − Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie.

Hintergrund: Zahlen und Fakten zum Leichtbau

  • Leichtbau ist gemessen am Marktvolumen im Transportsektor am stärksten etabliert. Hier macht der Automotive-Markt den größten Posten aus. Das weltweite Marktvolumen für Leichtbau im Transportsektor wird laut Studien von aktuell etwas mehr als 80 auf über 140 Milliarden Euro bis 2020 steigen. Größter Wachstumsmarkt ist neben dem Transportsektor der Maschinenbau (Quelle: Leichtbau – Trends und Zukunftsmärkte und deren Bedeutung für Baden-Württemberg).
  • Nach Einschätzung der Unternehmensberatung McKinsey müssen die Autobauer den Anteil von Leichtbauteilen im Fahrzeug bis 2030 von 30 auf 70 Prozent steigern, um die Zunahme des Gewichts durch Elektroantrieb und eine effizientere Motorentechnik zu kompensieren. Dadurch entsteht ein neuer Wachstumsmarkt für Zulieferindustrie und Anlagenbau (Quelle: McKinsey-Studie „Lightweight, heavy impact“).
  • Im Maschinenbau ließen sich beispielsweise durch Leichtbau pro Jahr 1,5 Millionen Tonnen Stahl einsparen und damit über zwei Millionen Tonnen CO2, was den jährlichen Emissionen einer Stadt wie Lübeck entspricht (Quelle: Leichtbau BW GmbH)
  • Die EU fordert von den Automobilherstellern bis zum Jahr 2020, den CO₂-Ausstoß der Gesamtflotte auf 95 g/km zu reduzieren, sonst drohen Strafzahlungen. Die CO₂-Emissionen der 2013 in Deutschland zugelassenen Pkw lagen im Durchschnitt bei 136,4 g/km (Quellen: EU, Kraftfahrtbundesamt).
  • 100 Kilogramm Gewichtsreduktion bei Mittelklassewagen bedeutet 5 Prozent höhere Beschleunigung, 5 Prozent weniger Bremsweg und ca. 0,3 Liter je 100 km Minderverbrauch bei Ottomotoren sowie eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 7g/km. Jährlich wären das allein in Deutschland 3,25 Milliarden Euro weniger Spritkosten sowie 4,3 Millionen Tonnen CO₂-Einsparung (Quellen: DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, VDA).
  • Die Kosten für Rohstoffe und Materialien machen knapp 45 Prozent des Bruttoproduktionswerts im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland aus. Energie hat zum Vergleich nur einen Anteil von 2,1 Prozent (Quelle: Destatis). 

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