30.01.2023 – Kategorie: Hardware & IT

Leit- und Sicherungstechnik: Neues Tool für mehr Sicherheit im Schienenverkehr

Leit- und SicherungstechnikQuelle: ProVI GmbH

Digital und ohne Schnittstellenverluste von der Trassierung bis zur Leit- und Sicherungstechnikplanung. Der Münchner Anbieter ProVI macht es möglich – denn er ergänzt seine BIM-Lösung zur Planung von Verkehrsinfrastrukturen um ein neues Modul zur Leit- und Sicherungstechnik (LST).

Leit- und Sicherungstechnik: Im Rahmen einer Entwicklungskooperation mit DB Engineering & Consulting, dem Ingenieur- und Beratungsunternehmen der Deutschen Bahn, arbeitet ProVI seit November 2020 an der Entwicklung der Software. Vorgestellt wurde das Modul ProVI LST zum Release auf der InnoTrans, der internationalen Fachmesse für Verkehrstechnik vom 20. bis 23. September 2022 in Berlin.

Planung der Leit- und Sicherungstechnik

ProVI LST ist ein Aufsatz für ProVI Schiene sowie ProVI Schiene LT, der die Leit- und Sicherungstechnik in den Gesamtkontext der Planung integriert. Die in der Trassierung erzeugten Achsen, Gradienten, Weichen und Schnittstellen bilden die Basis für die LST Planung. So können auch Funktionen wie etwa Auswertungen von Koordinaten oder Abständen mitgenutzt werden.

Alle Objekte, die für die Leit- und Sicherungstechnikplanung benötigt werden, kann der Planer mit dem Editor-Tool in der Software definieren und bearbeiten. Außerdem ermöglicht es die Erzeugung der benötigten Ausgaben – sowohl Tabellenwerk und Lage- und Übersichtsplan für die konventionelle Planung als auch die PlanPro XML-Datei, die für die digitale Planung benötigt wird.

Sicherheit steht an erster Stelle

„Das oberste Ziel in der LST Planung lautet immer: Verhindern, dass zwei Züge zusammenstoßen“, bringt Matthias Frei, Principal Software Engineer bei ProVI, den Sinn der Software auf den Punkt. Die Strecke, die ein Zug auf dem Weg von A nach B zurücklegt, muss entsprechend geschützt werden: Bevor der Zug überhaupt losfahren darf, muss sichergestellt sein, dass sich auf dem Abschnitt, der befahren werden soll, nicht bereits ein anderer Zug befindet. Der Fahrweg von einem Signal zum nächsten, die Zugstraße, muss frei gemeldet sein, daher der Begriff Gleisfreimeldung. Unterwegs gibt es Weichen, für die sichergestellt werden muss, dass von der Seite kein anderer Zug die Strecke befahren kann – der sogenannte Flankenschutz. Für all diese Aktionen gibt es bestimmte Objekte, die der Planer in ProVI LST definieren kann.

Typische Objekte für die Gleisfreimeldung sind beispielsweise Achszählpunkte, mit denen ermittelt wird, ob ein Streckenabschnitt frei ist und der nächste Zug einfahren kann. Eine weitere wichtige Funktion ist die Definition der Fahrstraßen, bei der festgelegt wird, welche Strecken auf welche Weise Flankenschutz bekommen. Auch die punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) spielt eine wesentliche Rolle in der Leit- und Sicherungstechnikplanung. Dabei liegen z.B. Magnete im Gleisbett auf Höhe eines Signals. Wenn ein Zug trotz eines roten Signals weiterfährt, kann durch die Magneten eine Zwangsbremsung initiiert werden. So gibt es zahlreiche Mechanismen in ProVI LST, mit denen Leit- und Sicherungstechnikplaner den Zugverkehr lenken, die Sicherheit erhöhen und Risiken minimieren können.

Entwicklungskooperation mit DB Engineering & Consulting

DB Engineering & Consulting, bereits seit vielen Jahren zufriedener ProVI-Kunde, kam 2020 mit dem Wunsch nach einer neuen Lösung zur Leit- und Sicherungstechnikplanung auf den Münchner Softwareanbieter zu. Die Entwicklungskooperation begann im November 2020. Nach den ersten Sondierungsgesprächen und einem Kick-Off-Workshop entwarfen die Kooperationspartner DB Engineering & Consulting und ProVI ein Umsetzungskonzept und legten den Umfang der ersten Ausbaustufe sowie die Zeitachse fest. Während der gesamten Entwicklungszeit trafen sich die Projektpartner in zweiwöchentlichen Meetings und tauschten sich engmaschig aus, wie Matthias Frei beschreibt: „In unseren regelmäßigen Meetings haben wir jeweils den aktuellen Stand der Entwicklung besprochen, neue Ideen diskutiert und konnten Fragen klären. Der Austausch war uns sehr wichtig, um bis ins Detail zu verstehen, wie die Leit- und Sicherungstechnikplanung funktioniert und das bestmögliche Tool dafür entwickeln zu können.“

Im Dezember 2021 wurde die erste Beta-Version von ProVI LST fertiggestellt. Die Anwender von DB Engineering & Consulting riefen 20 Lizenzen ab und testeten die Software ausgiebig. Mithilfe des Feedbacks optimierten und erweiterten die Software-Entwickler von ProVI das Modul. „Bisher hatten wir noch nie so einen engen Austausch mit einem Kunden, der uns in der Entwicklung begleitet hat“, so Matthias Frei. „Ich denke, gerade das macht das Produkt aus – dass man merkt, dass wir uns das Modul nicht im sprichwörtlichen stillen Kämmerchen ausgedacht haben. Unsere Entwicklung war von Anfang an von den Anwendern getrieben und so war sehr schnell erkennbar, ob sie in die richtige Richtung geht.“ Nach einer Entwicklungszeit von etwa 22 Monaten kam das Modul im September 2022 auf den Markt. Veröffentlicht auf der InnoTrans vom 20. bis 23. September 2022 in Berlin. Ab der nächsten Programmversion ProVI 7.0 wird das Modul erstmals zusätzlich verfügbar sein. Neben DB Engineering & Consulting gibt es bereits weitere namhafte Interessenten an der Neuentwicklung.

Leit- und Sicherungstechnik
Ab der Programmversion ProVI 7.0 ist das Modul erstmals zusätzlich verfügbar. Bild: ProVI GmbH

Zwei Welten vereint

Was ProVI in seiner Trassierungslösung auszeichnet, findet sich nach Meinung der Tester auch in ProVI LST wieder. Das Tool besticht durch seine Übersichtlichkeit und die intuitive Bedienung. „Für uns stellt das CAD-Modell immer nur ein temporäres Abbild der Daten dar. Das Entscheidende ist das Datenmodell dahinter. Die ProVI-Oberfläche ist in der Regel immer gleich aufgebaut: Auf der einen Seite habe ich eine Eingabemöglichkeit, wo ich auch Tabellen wie die Signaltabelle sehe. Gleichzeitig habe ich im CAD meinen Lageplan vor mir“, beschreibt Matthias Frei die Benutzeroberfläche. Der Planer kann also sowohl in der Tabelle als auch in der Zeichnung Werte anpassen oder Objekte und deren Position verändern. Die Änderungen werden jeweils übernommen. Dadurch bringt ProVI beide Welten, die Tabellen und die visuelle Ansicht eines Projekts, in einer Benutzeroberfläche für die Eingabe zusammen.

Automatisierung, wenn die Ausnahme die Regel ist?

Doch nicht nur das intuitive User-Interface beschleunigt die Arbeit der Ingenieure, wie der Softwareentwickler weiter erklärt: „In der LST Planung ist häufig die Ausnahme die Regel. Es gibt selten den einen einheitlichen Weg, was den Aufwand in der Entwicklung des Programms enorm erhöht hat. Trotzdem bietet ProVI LST dort, wo es geht, Automatismen an und das macht die Planung deutlich schneller.“ Entfernt der Planer beispielsweise ein Gleis, das mit einem Signal verbunden war, wird auch das Signal automatisch entfernt. ProVI LST erkennt, an welchen Stellen in aller Regel Standard-Achszählpunkte oder Gleismagnete eingebaut werden müssen. So bekommt der Anwender möglichst viele automatische Vorschläge, die seine Arbeitsweise erleichtern, die er aber anschließend auch noch anpassen oder verändern kann. Die automatische Planungsunterstützung ist ein Alleinstellungsmerkmal des Moduls auf dem Markt.

Leit- und Sicherungstechnik: Durchgängig digital planen

Durch das neue ProVI LST können nun Verkehrsanlagen- und Leit- und Sicherungstechnikplaner in derselben Datenbank arbeiten. Ändert der Trassierer etwas am Gleisverlauf, muss meist auch die Leit- und Sicherungstechnik umgeplant werden. Auch bei einer Neuausrüstung oder Umrüstung baut der LST Planer auf den Daten des Verkehrsanlagenplaners auf. Dabei wird in Bauzuständen geplant. Dank der gemeinsamen Datenbank werden in ProVI LST alle Änderungen automatisch übernommen. Auch wenn die Planer der unterschiedlichen Disziplinen in getrennten Datenbanken arbeiten wollen, bewegen sie sich dennoch beide in der ProVI-Welt und können ihre Daten schließlich ohne Schnittstellenverluste zusammenlegen. So werden Fehler minimiert und Kosten reduziert.

Von Julia Naumann.

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