17.11.2023 – Kategorie: Konstruktion & Engineering

Liftbot: So gelingt die Auslegung eines robotischen Lastenaufzugs

LiftbotQuelle: Kewazo

Noch werden Materialien im Gerüstbau mühsam nach oben befördert. Mit dem robotischen Lastenaufzug Liftbot hat das Start-up Kewazo eine Alternative entwickelt. Sie spart Zeit, Kosten und erhöht die Arbeitssicherheit. Kewazo hat das System mit Ansys ausgelegt. Zertifiziert vom TÜV wurde es ebenfalls mit Ansys.

Liftbot als smarte Lösung: Um manche Produkte hat die Digitalisierung lange einen großen Bogen gemacht. Dazu gehören Gerüste und Hebemittel wie beispielsweise die klassischen Bauaufzüge im Hochbau. Sie benötigen außerdem nicht nur viel Platz und Aufbaupersonal, sondern auch Starkstromversorgung, statische Vorabberechnungen und eine aufwändige Logistik. Deshalb kommen sie in der Regel nur dann zum Einsatz, wenn der Bauherr die Nutzung expliziert erwünscht und auch bezahlt.

Digitalisierung auf der Baustelle nutzen

Das Potenzial dieser Konstellation haben Absolventen der TU München früh erkannt. Sie haben 2018 das Start-up Kewazo gegründet, um zeitgemäße Lösungen zu entwickeln. Das ist gelungen: Heute zählen Unternehmen wie Bilfinger, Altrad und Anlagenbetreiber wie die BASF oder ExxonMobil zu den Kunden der Münchner Firma.

Aber der Reihe nach. Die Vision von Kewazo war es, die Potenziale der Automatisierung und der Digitalisierung in der Baubranche zu nutzen. Nicht in den Planungsbüros – dort ist sie längst etabliert – sondern am Ort des Baugeschehens, der Baustelle. Wo es darum geht, Gerüste aufzubauen und Material zu transportieren, um Bau- oder Renovierungsprojekte zu verwirklichen.

Ansys Mechanical und weitere Tools werden von den Kewazo-Ingenieuren zur Lösung verschiedener strukturmechanischer Fragestellungen genutzt. Bild: Kewazo

Liftbot: Baulogistik 4.0

Liftbot ist der erste robotische Lastenaufzug, der den Materialtransport auf Baustellen automatisiert. Der erste Anwendungsfall wurde schnell im Gerüstbau gefunden, denn hier werden auch heute noch 80 Prozent aller Projekte von Hand aufgebaut. Liftbot revolutioniert die Baulogistik mit digitalen Methoden: Bis zu 70 Prozent der Arbeitskosten werden eingespart. Trotzdem steht die Bauinfrastruktur oft doppelt so schnell wie üblich, dazu fehlerfrei und sicher für Aufbauer und Umgebung. Möglich wird dies durch die smarte Kombination von intelligenter Automatisierung, Flexibilität und dem Einsatz von modernsten Technologien. Weil Liftbot kompakt, mobil und kabellos ist, gibt es zudem kaum Einschränkungen im Hinblick auf den Einsatzort. Last but not least: Der Aufzug sammelt operationelle Daten und stellt diese seinen Nutzern mittels einer Analyseplattform zur Verfügung. Somit ermöglicht er ein proaktives Projektmanagement.

Liftbot
Der Stahlrahmen am Robot Module, der die Transportation
Platform trägt, ist besonders sicherheitskritisch und
muss verschiedensten Lastfällen standhalten. Bild: Kewazo

Sichere, leichte und ergonomische Präzision

Robotiksysteme wie Liftbot erfordern höchste Präzision in den Bereichen Mechanik, Elektrik und Software und natürlich ihrem Zusammenspiel. Das Kewazo-Team „Mechanical Engineering & Product Design“ ist verantwortlich für

  • die maximale Sicherheit der Konstruktion und aller Komponenten. Diese werden in großen Höhen und in Anwesenheit von Menschen bewegt, viele Eventualitäten müssen berücksichtigt werden.
  • ein leichtes Eigengewicht des Produkts. Jedes eingesparte Kilo – durch Design oder die Materialwahl – erhöht die Transportkapazität.
  • eine ergonomische Nutzung des Systems. Es geht um effiziente Prozesse und eine kraftsparende, am Menschen ausgerichtete Arbeitsweise.

TÜV Süd zertifiziert mit Ansys

Um dies zu erreichen, hat Kewazo schon früh auf Ansys gesetzt — anfangs über einen externen Partner, dann mit Cadfem. Warum gerade Ansys? Weil es nicht nur der externe Dienstleister nutzte, sondern auch der TÜV Süd bei Zertifizierungen einsetzt. Beim Start der ersten Liftbot-Version arbeiteten TÜV Süd, Kewazo und die Cadfem-Spezialisten für Ansys eng zusammen. Der damit einhergehende Know-how-Transfer von Cadfem zu Kewazo hat das Start-up befähigt, heute eigenständig viele und sehr ambitionierte Anwendungsfälle mit Ansys zu lösen.

Kewazo nutzt die Start-up-Version von Ansys Mechanical. Hinzu kommen für zwingend notwendige Nachweise die Cadfem-Extensions „Bolt Assessment inside Ansys“ und „FKM inside Ansys“. Die Vorteile der hauseigenen Simulationskompetenz sind die Geschwindigkeit, in der verschiedene Designoptionen objektiv miteinander verglichen werden können, mit einem erheblich reduzierten Bedarf an realen Prototypen. Auch die Zertifizierung erfolgt effektiver durch die detaillierte Dokumentation der Ergebnisse und die Datendurchgängigkeit zum TÜV.

Typischer Anwendungsfall: Der Liftbot

Wie wird Ansys bei Kewazo eingesetzt? Ein Beispiel zeigt dies an der Schnittstelle zwischen zwei der drei Hauptkomponenten des Liftbot:

  • Das Robot Module (RM) ist der eigentliche Roboter, die Schaltzentrale und das Gehirn des Systems.
  • Die Transportation Platform (TP) ist die Tragevorrichtung, auf der das Material aufliegt, und die je nach Aufgabe unterschiedlich konfiguriert ist.
  • Das Rail System (RS) sind die Schienen, auf denen sich der Roboter bewegt.

Zum RM gehört ein Stahlrahmen aus Rohrprofilen, Blechbauteilen und CNC-gefertigten Präzisionskomponenten, er trägt die TP. Die meisten Teile sind geschweißt, besonders sicherheitskritische Verbindungen verschraubt. Der Rahmen soll die Masse aus Material und Plattform aufnehmen und an das auf der Schiene aufliegende RM weitergeben. Zudem zeigt er Überlasten an und erfasst Daten für die Prozessanalyse. Da der Rahmen sehr variabel belastet wird, erfordert die Zertifizierung eine besonders akkurate strukturmechanische Betrachtung. Deshalb wurde er einer separaten Analyse unterzogen. Sie erfolgte gemeinsam mit Cadfem und hat zur erfolgreichen Zertifizierung des Liftbot geführt.

Später hat das Kewazo-Team die Baugruppe noch einmal allein in Angriff genommen, um Materialalternativen zum bisherigen Stahl zu finden, der teuer und schwer zu schweißen war. Ein voller Erfolg: Das neue Material hat nicht nur die Herstellungskosten drastisch gesenkt, sondern auch das Gewicht um 20 Prozent, unter anderem. weil der Stahl teilweise ersetzt werden konnte. Auch eine vereinfachte Montage, weniger Toleranzen an der Schnittstelle und die verbesserte Kalibrierung des Überlastsystems wurden erreicht. Der TÜV nahm den Ergebnisreport wieder auf Anhieb ab, so dass diese optimierte Version des Rahmens in Serie gehen konnte.

Dabei zeigte sich auch der immense Vorteil, unabhängig Simulationen durchführen zu können. Die Möglichkeit und Freiheit, Alternativen schnell, unkompliziert und vor allem zuverlässig ausprobieren zu können ist von unschätzbarem Wert im Hinblick auf Qualität, Innovation und Kosten.

Know-how Transfer heute und morgen

Innerhalb kurzer Zeit ist es Kewazo gelungen, anspruchsvolle strukturmechanische Simulationen mit Ansys bei der Entwicklung des Liftbot durchzuführen. Eine wichtige Rolle hat die anfangs gemeinschaftliche Projektbearbeitung mit Cadfem gespielt, die auf einen maximalen Know-how Transfer angelegt ist.

Und die Partnerschaft geht weiter: Kurzfristig bei Supportfragen, mittelfristig beim Wissensausbau, zum Beipiel über die Seminar-Flatrate und langfristig, wenn es um die Erschließung zusätzlicher Anwendungsfelder in der Simulation geht.

Von Alexander Kunz.

Weitere Informationen:


Teilen Sie die Meldung „Liftbot: So gelingt die Auslegung eines robotischen Lastenaufzugs“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top