02.11.2022 – Kategorie: Hardware & IT

Multiphysik-Simulation: So können Geldscheine sicher sortiert werden

Multiphysik-Simulation

Ingenieure und Physiker von Giesecke+Devrient Currency Technology entwickeln mit Hilfe der Multiphysik-Simulation magnetische, optische und Ultraschallsensoren für leistungsstarke modulare Banknotenbearbeitungssysteme, die täglich Millionen von Geldscheinen sicher sortieren und verarbeiten können.

Multiphysik-Simulation in der Praxis: Dem geläufigen Ausdruck „nur Bares ist Wahres“ kommt in professionellen Cash-Centern, die täglich Millionen von Banknoten verarbeiten, eine viel größere Bedeutung zu. Heute ist mehr Bargeld im Umlauf als je zuvor, und dieser Volumenschub, gepaart mit der wachsenden Vielfalt der Sicherheitsmerkmale der Banknoten und der zunehmenden Komplexität des Banknotendesigns, hat die Anforderungen an automatisierte Bargeldbearbeitung drastisch erhöht.

Multiphysik-Simulation in der Banknotenproduktion

Druckereien auf der ganzen Welt müssen die höchstmögliche Qualität jedes frisch gedruckten Geldscheins garantieren. Darüber hinaus sehen sich Zentral- und Geschäftsbanken sowie Geld- und Werttransportunternehmen mit der Notwendigkeit konfrontiert, Banknoten nach Stückelung, Währungstyp, Orientierung, Echtheit und Zustand mit unfassbar hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit zu sortieren. Jan Domke und Klaus Thierauf, Physiker bei Giesecke+Devrient (G+D) Currency Technology, entwickeln Sensoren für modulare, leistungsstarke Banknotenbearbeitungssysteme (Banknote Processing Systems, kurz BPS) für diese professionellen Cash-Center (Titelbild, Bild 1).

Um die Bearbeitungskosten zu senken und eine sichere Ausgabe der verarbeiteten Banknoten zu gewährleisten, setzen die Bearbeitungssysteme von G+D Currency Technology auf vielfältige Messtechnik, die in verschiedenen Sensoren reproduzierbare Ergebnisse und eine lange Lebensdauer garantieren. Die Banknoten werden in die Maschine eingeführt und durch ein Rundriemenfördersystem transportiert (Bild 2, links), das eine ganzflächige Messung auf beiden Seiten jedes Scheins ermöglicht. Die Entscheidung über die Sortierung wird dabei über eine Vielzahl von Sensoren getroffen. Gefälschte Scheine werden zuverlässig aussortiert, während aufgrund ihrer unzureichenden Qualität ungeeignete Banknoten separiert oder sogar geschreddert werden. Die Banknoten, welche die Inspektion erfolgreich durchlaufen haben, werden gebündelt und in den Geldkreislauf oder Tresor zurückgeführt. Eine typische Maschine von G+D Currency Technology kann eine Vielzahl unterschiedlicher Währungstypen in allen vier physischen Orientierungen in einem Durchgang erkennen. Die schnellsten Systeme können mehr als 150.000 Geldscheine pro Stunde verarbeiten. „In unserer Abteilung entwickeln wir die Sensorsysteme und Auswertungen, die für die Klassifizierung von Banknoten in echt oder gefälscht sowie tauglich oder untauglich zuständig sind“, sagt Domke. „Sie sind die Augen und das Gehirn dieser Maschinen.“

Erfassen und Sortieren

Auf dem Weg durch das Bearbeitungssystem werden die Banknoten drei Hauptsensorsystemen ausgesetzt: magnetischen, optischen und Ultraschallsensoren. Die verschiedenen Messtechniken werden miteinander genutzt und ergänzen sich, um Geldscheine nahtlos und effizient zu prüfen und zu sortieren. Magnetsensoren erkennen spezielle aufgedruckte magnetische Sicherheitsmerkmale; optische Sensoren arbeiten im UV-, NIR- und Sichtbereich, um Banknoten nach Stückelung und Währungstyp zu klassifizieren, und Ultraschallsensoren überprüfen die Fitness, also den Zustand (Risse, Löcher, Klebeband usw.). Domke und Thierauf nutzen die Multiphysik-Simulation als Teil der kontinuierlichen Entwicklungsarbeit ihres Teams zur Verbesserung der Sensorleistung, um die komplexe zugrunde liegende Physik besser zu verstehen. Als wichtiger Schritt im Entwicklungsprozess wird die Simulation zum Nachweis der eigentlichen Sensoridee eingesetzt, die dann z.B. mit dem Entwicklungsteam der Algorithmik diskutiert werden kann. „Die Comsol-Software ist ein sehr wichtiges Werkzeug, um das gesamte Team mit seinen Visualisierungen und dem Verständnis der physikalischen Effekte auf denselben Stand zu bringen“, sagt Domke. „Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Sensor-Entwicklungsprozesses.“

Multiphysik-Simulation ermöglicht das Erkennen von Sicherheitsmerkmalen

Ein entscheidendes Sicherheitsmerkmal von Banknoten ist die aufgedruckte magnetische Farbe, die wie eine Magnetsonde wirkt. Während der Schein durch das Transportsystem läuft, interagiert die Sonde mit dem Feld der Permanentmagnete in den Sensoren. Diese können dann die Wirkung der Sonde auf die Feldlinien als Signal in Echtzeit analysieren und nach spezifischen Algorithmen auswerten. Um möglichst zielführende Algorithmen zu entwickeln, werden die Messwerte der Magnetfeldänderungen vorher simuliert. Thierauf nutzt die numerische Simulation, um genau dieses Verhalten zu modellieren. Durch den Aufbau des Magnetsensors mit seiner vordefinierten Magnetisierung in der Software und die Verwendung einer Moving-Mesh-Technik zur Modellierung des Vorbeifahrens der weichmagnetischen Sonde werden die magnetischen Messwerte erzeugt. Verschiedene Optimierungsparameter ermöglichen die Anpassung der Feldgeometrie an die jeweiligen Bedürfnisse.

Multiphysik-Simulation
Bild 3: Simulation einer Magnetsonde, die den Magnetsensor passiert. Permanentmagnet (grau) und Eisenkern (schwarz) leiten das Magnetfeld des Sensors. Ein bewegliches Netz wird verwendet, um die vorbeifahrende Sonde in einem virtuellen Transportkanal zu modellieren. Bild: Giesecke+Devrient Currency Technology

Wenn die Sonde den Sensor passiert, kommt es zu einer Wechselwirkung der Sonde mit dem Magnetfeld. Der Magnetsensor erfasst die Änderung des Magnetfeldes und das resultierende Signal kommt als elektrische Antwort aus dem System. Die Signalamplitude hängt empfindlich von der Entfernung der Sonde von den Magneten ab, und die Simulation ist entscheidend für das Verständnis dieser Abhängigkeit. „Wenn man das resultierende Magnetfeld bildet, kann man die Abhängigkeit von der Entfernung berechnen“, erklärt Thierauf. „Davon ausgehend können Sie das System weiter optimieren und mit Hilfe speziellerer Modelle schließlich die Kundenspezifikationen treffen.“

Einhaltung der Zustandsanforderungen

Neben den Sicherheitsmerkmalen müssen Banknoten auch nach der Einhaltung vorgegebener Zustandsanforderungen hinsichtlich ihrer Fitness sortiert werden. Geldscheine können an- oder durchgerissen sein, fehlende oder gefaltete Ecken, Flecken, Bemalungen oder Klebeband aufweisen oder mit anderen Scheinen verklebt sein. Um beispielsweise Banknoten zu erkennen, die verklebt oder mit Klebeband versehen sind, setzt das Team von Domke auf eine Reihe von Ultraschallsensoren. Wenn ein Geldschein am Sensor ankommt, wird ein gepulstes akustisches Ultraschallsignal von einem sendenden Ultraschallwandler an einen Empfänger auf der gegenüberliegenden Seite des Scheins gesendet. Die größte Schwierigkeit dabei ist, dass höchstens 1 Prozent des Signals den Schein tatsächlich durchdringt und den Empfänger erreicht; 99 Prozent der Schallenergie wird reflektiert. Im System werden 24 Wandlerpaare verwendet, um die Auflösung des Sensors zu erhöhen (Bild 4). Mit diesen vielen Sendern wird die Signalinterferenz jedoch zu einem Problem und stellt ein heikles Problem bei der Auslegung des Sensordesigns hinsichtlich Signaltiming, Dämpfungselementen und Geometrieaspekten dar.

Multiphysik-Simulation
Bild 4: Eine Anordnung von 24 Sendern, mit denen akustische Ultraschallsignale durch Banknoten gesendet werden. Zur Veranschaulichung ein 20-Euro-Schein in Transportposition.
Bild: Giesecke+Devrient Currency Technology

Domke und sein Team nutzen daher die Multiphysik-Simulation. Während die Banknote vorbeiläuft und die Reflexion des Ultraschallsignals erfolgt, laufen Teile des Schallpulses aufgrund von Beugung um den Rand der Note herum und werden ebenfalls vom Empfänger detektiert (Bild 5). Da dieses Signal das schwache Transmissionssignal stören würde, muss der Erkennungsprozess durch den Empfänger abgeschlossen sein, bevor das gebeugte Signal ankommt. Mit Hilfe der Multiphysik-Simulation modellierte Domke die Wirkung von akustischen Kanälen in Dämpfungselementen zur Führung des gepulsten Signals. Durch die Simulation der Nah- und Fernfeldcharakteristik, der maximalen Amplitude und des Abklingens des Schallfeldes konnte er die Störung des Transmissionssignals verhindern. „Simulation ist hier ein unverzichtbares Werkzeug, denn bei so kleinen Maßstäben sind experimentelle Messungen nicht durchführbar“, erklärt Domke. „Wenn wir die Geometrie und das Timing bereits durch Simulation richtig einstellen können, können wir wirklich gute und ungestörte Signale bereits im ersten Muster des Sensors erhalten.“

Zukünftige Verbesserungen durch Multiphysik-Simulation

Domke und Thierauf nutzen die Multiphysik-Simulation auch für andere Aspekte der Sensorentwicklung und werden ihre Simulationsmöglichkeiten weiter ausbauen. Sie verwenden einen multiphysikalischen Ansatz zur Modellierung von Ultraschallwandlern und führen Analysen zur Wärmeleitung für das Wärmemanagement in Leiterplatten, den Sensoren und anderen Komponenten der Bearbeitungsmaschinen durch. Für diese Anwendungen können sie ihre Simulationen auch mit Experimenten vergleichen, und die Übereinstimmung hat bezüglich der Genauigkeit ihrer Modelle sehr überzeugt. Sie hoffen, dass der weitere Einsatz der Simulation zu einer höheren Flexibilität gegenüber Kundenspezifikationen, einer optimalen Aussortierung potenzieller Falschgeldscheine und einer maximalen Übereinstimmung der Zustandsbewertung mit der menschlichen Wahrnehmung führen wird.

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