27.06.2023 – Kategorie: Allgemein, Konstruktion & Engineering
Nachhaltige Konstruktion: Leiser, leichter, leistungsfähiger
Recycling leistet im Automobilbau einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung. Noch wichtiger ist es, bereits in der Konstruktionsphase eines Bauteiles nur so viel Material vorzusehen, wie für die optimale Leistung erforderlich ist. Schlüssel für nachhaltige Konstruktionsalternativen ist Leichtbau-Technologie wie die Topologie-Optimierung, die für mehr Nachhaltigkeit sorgt.
Nachhaltige Konstruktion in der Praxis: Bei der Entwicklung von komplexen Leichtbauteilen kommen technische Kunststoffe oft zum Einsatz, da sie dank ihrer Materialeigenschaften eine hohe Leistungsfähigkeit bei geringem Gewicht ermöglichen. Die Auslegung solcher Bauteile ist jedoch anspruchsvoll – nicht nur aufgrund der besonderen Werkstoffeigenschaften, sondern auch hinsichtlich einer fertigungsgerechten Gestaltung. Zudem bringt die Elektrifizierung von Fahrzeugen neue Aufgaben wie eine veränderte Innenraumakustik sowie neue Packaging-Anforderungen an Elektrofahrzeuge mit sich.
Nachhaltige Konstruktion braucht innovative Ansätze
Für das strukturelle Design werden innovative Ansätze benötigt, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen strukturellen und akustischen Leistungsmerkmalen unter Berücksichtigung von Gewichts- und Kostenlimits zu ermöglichen. Eine ganzheitliche Simulation von technischen Kunststoffen, insbesondere die Vorhersage und Verbesserung des Geräusch- und Schwingungsverhaltens (Noise, Vibration, Harshness/NVH) der Bauteile im Zusammenspiel mit dem Gesamtsystem ist daher ein wichtiger Entwicklungsbaustein und sollte bereits in der frühen Konzeptphase Grundlage für Material- und Designentscheidungen sein.
Das Ganze im Blick
Am Anfang der Auslegung von strukturell relevanten Kunststoffeinsätzen steht in der Regel die Durchführung von Sensitivitätsanalysen zur Bestimmung von Parametern, die einen signifikanten Einfluss auf die Bauteileigenschaften ausüben. In einer iterativen Optimierung auf Grundlage der ermittelten Parameter wird dann das beste Kompromisskonzept mit maximaler Leistungsfähigkeit bei geringstem Gewicht ermittelt. Die Topologie-Optimierung ist am effektivsten, wenn man die Topologie eines Bauteils möglichst früh in der ersten Entwicklungsphase festlegt, um so von Anfang an belastungs- und fertigungsgerechte Designkonzepte zu gewährleisten.
Barrieren abbauen
Für die Anwendung der Topologie-Optimierung ist eine effiziente Bauraumerzeugung unabdingbar. Dabei fehlt es jedoch oft an geeigneten Werkzeugen, und zudem führt die Beteiligung mehrerer Abteilungen zu erheblichem Zeitverzug. Um das Potenzial der Topologie-Optimierung auszuschöpfen und schnellere und bessere Entscheidungen zu ermöglichen, müssen notwendige Eingangsgrößen jedoch möglichst früh bereitstehen, und Barrieren zwischen den Abteilungen CAD Design und CAE müssen fallen.
Altair hat Prozessbausteine entwickelt, die den strategischen Einsatz von Topologie-Optimierung zur Massenreduktion und die Entwicklung von nachhaltigen Komponenten und Systemen erleichtern. So ergeben sich Zeitersparnisse von bis zu 80 Prozent bei der Modellerstellung, und es bleibt mehr Zeit für die Bewertung verschiedener Konstruktionsalternativen und die Verbesserung der technischen Lösung (Bild1).
Nachhaltige Konstruktion: Workflow für Struktureinleger bei Sika
Die Sika Automotive AG, Schweiz, ist mit ihrem Angebot an Systemen zum Kleben, Dichten, Dämpfen, Verstärken und Schützen sowie Lösungen zur Geräuschreduzierung und Schwingungsdämpfung im Karosseriebau ein wichtiger Entwicklungspartner für Automobilhersteller und -zulieferer. Bei der Entwicklung von Struktureinlegern erstellt Sika in der Regel einen ersten Entwurf und optimiert dann das Gewicht und das Design, bis der beste Kompromiss mit maximaler Leistung bei minimalem Gewicht erreicht ist.
Um ein tieferes Verständnis darüber zu erlangen, wo es das Material in der Rohkarosserie (Body in White/BIW) am besten platzieren sollte, verwendet das Team Altair OptiStruct für Struktur- und NVH-Analysen. Um den Prozess weiter zu optimieren, überprüfte Altair den bisherigen Sika Ansatz für NVH-Studien und identifizierte Bereiche mit Verbesserungspotenzial. Zur Beschleunigung des Entwicklungsprozesses empfahlen die Simulationsexperten den Altair Design Space Workflow, den Sika zur Untersuchung einer D-Säule einsetzte. Mit dem bisher etablierten Arbeitsablauf benötigte Sika bis zu drei Stunden für die Bauraumerstellung, um eine erste Konzeptidee für den D-Säuleneinleger zu generieren. Mit dem neuen Altair Design Space- Workflow jedoch definierten die Ingenieure den Bauraum, erstellten ein Voxelmesh, modifizierten die Schnittpunkte und benötigten weniger als 40 Minuten, um die Simulation vorzubereiten. Neben der Zeitersparnis profitierte Sika von der Benutzerfreundlichkeit der Lösung.
Mithilfe des Altair Design Space Workflows eliminierten die Sika-Ingenieure zeitaufwändige Arbeitsschritte, so dass sie die erforderlichen Ergebnisse innerhalb von Minuten statt Stunden erzielten und so schnellere Go/No-Go-Entscheidungen in Bezug auf potenzielle Positionen für ihre Reinforcer-Lösungen im BIW treffen konnten (Titelbild).
Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit
Die beschriebenen Prozesse reduzieren manuelle Tätigkeiten, vereinheitlichen unterschiedliche Aufgaben aus verschiedenen Abteilungen in einem einzigen Arbeitsablauf und verkürzen die Modellierungszeit bis zu 70-80 Prozent. In den genannten Beispielen wurde die Zeitersparnis bei der Modellierung für eine einzige Applikation ermittelt. Oft sind jedoch fünf oder mehr Bereiche für den Einsatz von Strukturknoten erforderlich (70 Prozent Einsparung x 5).
Topologie-Optimierung erhöht die Sicherheit in der Entwurfsphase und führt zu Kosten- und erheblichen Materialeinsparungen. Insbesondere, wenn eine Weiterentwicklung etablierter Konstruktionen ansteht, um etwa eine Materialsubstitution zu ermöglichen oder veränderte Randbedingungen zu berücksichtigen, ermöglicht der beschriebene Ansatz einen strategischen Einsatz der Topologie-Optimierung auf verschiedenen Ebenen der Fahrzeugentwicklung.
Von Mirko Bromberger.
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