06.05.2021 – Kategorie: Maschinenbau

Pay-per-Use: Wie die Industrie davon profitieren kann

Pay-per-UseQuelle: iStock, ipopba

Für die Industrie wird es immer schwieriger, mit stabilen Umsätzen und ausreichend Liquidität zu planen. Mit Pay-per-Use-Modellen können Maschinen- und Anlagenbauer langfristig ihren Cashflow optimieren und durch ergänzende digitale Services Zusatzgeschäft erzielen. Kunden profitieren von geringerer Kapitalbindung und höherer Flexibilität.

Pay-per-Use: Die ungewissen Auswirkungen der Corona-Pandemie, Handelsstreitigkeiten und prägende Entwicklungen wie der Last-Minute-Brexit-Deal erschweren die Planbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklungen immens. Gleichzeitig bieten die Digitalisierung und das Internet der Dinge (IoT) den Maschinen- und Anlagenbauern die Option, in der aktuellen Situation der Unsicherheit, die Risiken für ihre Kunden zu minimieren.

Abrechnungsmodell Pay-per-Use

Zentraler Baustein dieser Überlegung ist der Wechsel des Abrechnungsmodells vom Produktverkauf zum Servicegeschäft. Neue Technologien wie vernetzte und smarte Produkte schaffen die Basis für die nutzungsbasierte Leistungsabrechnung. Eine aktuelle Studie von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut zeigt, dass mehr als jedes zweite mittelständische Unternehmen seine Produkte mit nutzungsbasierten Abrechnungsmodellen anbieten möchte.

Vom Produkt- zum Leistungsanbieter

Industriezweige mit geringen Grenzkosten für Anbieter, wie zum Beispiel Telekommunikation, Pay-TV und Software, bieten Leistungen schon lange erfolgreich nach nutzungsbasierter Abrechnung an. Aber auch Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Mobilitätsindustrie und verwandten Branchen generieren dadurch immer mehr Umsatz. Hersteller wie Boge oder Kaeser gelten hier als Pioniere. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) stellt heraus, dass mit zunehmender Komplexität des Produktes auch das Angebot an produktbegleitenden Dienstleistungen wächst. Pay-per-Use ist hierbei einer von mehreren Wettbewerbsfaktoren, die zu mehr Umsatz führen.

IoT-Plattformen als zentraler Baustein von Pay-per-Use

In einem Pay-Per-Use-Geschäftsmodell stellt der Hersteller seinem Kunden, ähnlich wie in einem Leasing-Modell, eine Maschine zur Verfügung. Dabei bleibt der Hersteller Eigentümer der Anlage und integriert diese in den Produktionsprozess des Nutzers. Im Unterschied zum Leasing bezahlt der Kunde allerdings keine feste Leasingrate an den Hersteller. Vielmehr wird nur die tatsächliche Nutzung der Anlage vergütet.

Dafür einigen sich beide Parteien über die Art des nutzungsbasierten Abrechnungsmodells (zum Beispiel produzierte Stückzahl oder Dauer der Nutzung) sowie den Preis pro Nutzungseinheit. Vielfach garantiert der Hersteller dem Kunden eine gewisse Verfügbarkeit, sodass dieser dann die Maschinenkapazität im Gesamtproduktionsprozess einplanen kann. Die Nutzungszeiten werden protokolliert und automatisch abgerechnet.

Pay-per-Use
Ansicht des digitalen Zwillings in der IoT-Plattform Contact Elements for IoT. Hierüber können Nutzungseinheiten erfasst und abgerechnet werden.
Bild: Contact Software GmbH

Grundlage hierfür ist die Vernetzung der Anlage mit einer IoT-Plattform des Herstellers. Als digitales Backbone bildet sie die notwendige Infrastruktur dieses Geschäftsmodells. Neben der Protokollierung der Nutzungseinheiten ermöglicht Sie dem Hersteller den Zugriff auf die Informationen von Sensoren und Maschinensteuerungen. Auf dieser Basis kann der Maschinenhersteller die Anlage im Produktionsprozess verbessern und deren Verfügbarkeit steigern. Damit ist die IoT-Plattform zentral für den wirtschaftlichen Erfolg des Maschinenherstellers.

Nur echte Leistung zahlen: Sicherheit in volatilen Märkten

Die Maschine nicht zu kaufen, sondern ihre Nutzung zu bezahlen, hat für den Kunden entscheidende Vorteile. Zum einen bedeutet der Wegfall der Investitionssumme, die er beim Kauf aufbringen müsste, deutlich weniger Kapitalbindung. Das zur Verfügung stehende Geld kann an anderer Stelle wirksam eingesetzt werden. Zudem trägt er nicht das Ausfallrisiko, da er vom Hersteller die Verfügbarkeit garantiert bekommt und vertraglich abgesichert ist. Der transparente Transaktionsprozess, bei dem nur die tatsächlich erbrachte Nutzung bezahlt wird, erlaubt eine sichere und gleichzeitig flexible Produktionsplanung, weil Stückkosten einfacher zu kalkulieren sind und sich Produktionskapazitäten schneller anpassen lassen.

Auch im Vergleich zum verwandten Leasing-Modell bietet Pay-per-Use eine größere Flexibilität für den Kunden. Leasingraten werden zwar auf Basis geschätzter zukünftiger Nutzung kalkuliert, sind aber über die Vertragslaufzeit konstant. Die Transaktionen im Pay-per-Use Szenario sind dagegen flexibel und passen sich der Nutzungsintensität an.

Pay-per-Use: Gut planbare, regelmäßige Einkünfte

Wie stark diese Vorteile für den Kunden Wirkung entfalten, hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab. Die Festlegung einer Mindestabnahmemenge zum Beispiel ist ein Mittel, um das Risiko von Marktschwankungen zwischen beiden Parteien zu verteilen. Aus Sicht des Herstellers ist dieses Risikomanagement besonders wichtig, da er im Vergleich zum Kaufgeschäft bereits das Betriebsrisiko vom Kunden übernimmt. Zudem trägt der Hersteller auch die Last der Vorfinanzierung.

Gerade in der Einführungsphase des Pay-Per-Use-Modells ist dies zu beachten, da kurzfristig geringere Einkünfte generiert werden als im Verkaufsszenario. Im Gegenzug profitiert der Hersteller mit der Transformation der Erlösströme von einer stabilen Umsatzbasis durch gut planbare, regelmäßige Einkünfte im Vergleich zum volatilen Verkaufsszenario. Das optimiert den Cashflow und stabilisiert die Gesamtorganisation.

Pay-per-Use
Die Verbindung der IoT Plattform zum PLM- oder ERP-System ermöglicht die Weitergabe von Betriebsinformationen. Dadurch können Prozesse automatisiert werden und Erkenntnisse aus der Nutzungsphase in der Produktentwicklung wirksam werden.
Bild: Contact Software GmbH

Mit durchgängigem Digital Thread die Wertschöpfung steigern

Für den Anlagenhersteller entfaltet sich das volle Potenzial der eingesetzten IoT-Plattform erst mit der Verbindung in bestehende IT-Systeme. Alle erfassten Betriebsdaten fließen in das Organisations-Know-how ein, um durchgehende Prozesse zu realisieren. Die Verknüpfung zum PLM-System ermöglicht es im Sinne des Closed-Loop-Engineerings, Erkenntnisse über das Verschleißverhalten von Bauteilen für die Produktentwicklung der nächsten Maschinengeneration zu nutzen. Außerdem lässt sich auf Basis der As-Built-Stückliste aus dem PLM-System eine As-Maintained-Stückliste in der IoT-Plattform aufbauen.

Zusammen mit der aktuell installierten Softwareversion werden valide Informationen über die tatsächliche Maschinenkonfiguration bereitgestellt. Das erleichtert Wartungs- und Instandhaltungsprozesse. Mit einer Verbindung zum ERP-System können die erfassten Nutzungseinheiten automatisch abgerechnet werden. Gemeinsam stellen die IT-Systeme somit alle relevanten Betriebsdaten der Maschinen den unterschiedlichen Bereichen wie Entwicklung, Qualitätsmanagement, Produktion, Service und Vertrieb durchgängig zur Verfügung.

Fazit

Durch den Wechsel des Transaktionsmodells von kaufbasierten Angeboten zu nutzungsbasierter Abrechnung übernimmt der Hersteller das Betriebsrisiko vom Käufer und geht in finanzielle Vorleistung. Unter der Annahme, dass die Käufer in der aktuell wirtschaftlich schwer planbaren Zeit versuchen, ihre Risiken zu verringern, kann dieser mutige Schritt mit dem Gewinn von Marktanteilen belohnt werden. Gleichzeitig können Hersteller die Maschinenverfügbarkeit über moderne IoT-Technologien erhöhen und somit das Ausfallrisiko minimieren. Zusätzlich zu Marktanteilen, transformieren die Hersteller ihre Erlösströme und stärken die Bindung zu ihren Kunden. Eine robuste IoT-Plattform ist die technologische Grundlage des Pay-per-Use-Angebots.

Der Wechsel zu nutzungsbasierten Abrechnungsmodellen ist für Maschinen- und Anlagenbauer nicht ohne Risiko, aber er verspricht eine starke wirtschaftliche Position für die Zukunft.

Der Autor, Kilian Bächle, ist Analytiker IoT im Produktmanagement bei Contact Software.

Lesen Sie auch: IIoT-Plattform: Automatisierte Analyse von Maschinendaten


Teilen Sie die Meldung „Pay-per-Use: Wie die Industrie davon profitieren kann“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top