16.01.2018 – Kategorie: Hardware & IT

PLM-Zukunftsstrategien entwickeln

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Im Zuge von Industrie 4.0 stellen sich viele Unternehmen die Frage, ob ihre PDM/PLM-Bebauung noch zukunftsfähig ist. Wie lässt sich die bestehende Systemlandschaft mit vertretbarem Aufwand umbauen, um die Digitalisierung ihrer Wertschöpfungsketten voranzutreiben? Eine externe PLM-Strategieberatung erleichtert die Definition einer Future PLM Roadmap. von Peter Wittkop

Im Zuge von Industrie 4.0 stellen sich viele Unternehmen die Frage, ob ihre PDM/PLM-Bebauung noch zukunftsfähig ist. Wie lässt sich die bestehende Systemlandschaft mit vertretbarem Aufwand umbauen, um die Digitalisierung ihrer Wertschöpfungsketten voranzutreiben? Eine externe PLM-Strategieberatung erleichtert die Definition einer Future PLM Roadmap. von Peter Wittkop

Die PLM-Verantwortlichen größerer mittelständischer Unternehmen sind aktuell nicht zu beneiden, denn sie stehen vor großen Herausforderungen. Vielfach müssen sie ihre PDM/PLM-Systeme modernisieren, weil diese in die Jahre gekommen sind beziehungsweise, weil sie mit den steigenden Anforderungen nicht mehr Schritt halten können. Die Ansprüche der Auftraggeber nehmen zu, gerade was die Qualität der Daten und die Erfüllung der Nachweispflichten betrifft. Nicht selten erfordert die Restrukturierung des Unternehmens, beispielsweise nach einer Übernahme, die Harmonisierung heterogener PLM-Systemlandschaften. Dabei sind die finanziellen und personellen Ressourcen der IT-Abteilungen begrenzt. Und jetzt sollen sie auch noch Geld für PLM-Strategieberatung ausgeben? Unbedingt!

Externes Know-how kann gerade Unternehmen mit begrenzten IT-Ressourcen dabei unterstützen, beim Umbau ihrer PDM/PLM-Landschaft die richtigen Prioritäten zu setzen und schlussendlich tragfähige Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Berater sich nicht nur mit den Anwenderprozessen auskennen, sondern auch mit den IT-Lösungen unterschiedlicher Hersteller, sodass sie ihre Kunden anbieterneutral beraten können. Und sie sollten eine klare Vorstellung davon haben, wie sich Industrie 4.0 auf die Entwicklungsprozesse auswirkt und welche Anforderungen sich daraus für die künftige PLM-Bebauung ergeben. Eine solche Orientierung fehlt vielen mittelständischen Kunden, die oft noch nicht so genau wissen, was sich hinter Industrie 4.0 verbirgt.

Die intelligent vernetzte Fabrik im Sinne von Industrie 4.0 ist Teil einer viel weitreichenderen digitalen Transformation, die alle Geschäftsprozesse im Unternehmen erfasst. Treiber dieser Transformation sind smarte Produkte, die über das Internet of Things (IoT) miteinander kommunizieren und dadurch neue Services bis hin zu kompletten Product-as-a-Service-Angeboten ermöglichen. Die Entwicklung smarter Produkte erfordert nicht nur neue Werkzeuge, Methoden und Prozesse für das smart Engineering, sondern in aller Regel auch einen Umbau der PDM/PLM-Landschaften.

Offenheit als Voraussetzung

Basis für eine zukunftsfähige PLM-Bebauung ist Offenheit im Sinne des Code of PLM Openness (CPO), weil erfahrungsgemäß kein Systemhersteller alle erforderlichen „Bausteine“ in der gewünschten Qualität liefern kann oder weil eine umfassende Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten nicht gewünscht ist. Monolithische Systeme sind deshalb nach Überzeugung der meisten PLM-Experten nicht mehr zeitgemäß. Offene Schnittstellen und die Unterstützung offener Standards sind Kernbestandteile einer integrationsfähigen, modularen PLM-Architektur, im Sinne der sogenannten „bimodalen IT“ der zwei Geschwindigkeiten. Der Begriff ist im Zuge der vorschreitenden Digitalisierung entstanden und steht für eine gut ausgebaute und stabile Basis-Applikation, die sich jedoch jederzeit und unkompliziert um zusätzliche Komponenten erweitern lässt, wenn neue Markt- oder Kundenanforderungen dies erfordern.

Smarte Produkte ermöglichen ein höheres Maß an Individualisierung, etwa dadurch, dass Software bestimmte Funktionen abbildet oder, dass kleine Losgrößen mittels additiver Fertigungsverfahren hergestellt werden. Solche Produkte enthalten Softwarefunktionen, die im laufenden Betrieb aktualisiert erweitert werden können. Auf diese Weise lassen sie sich aktuell halten und ihr Lebenszyklus verlängert sich entsprechend. Solche Systeme generieren und kommunizieren Unmengen von Daten, die in zum Beispiel in einen Digital Twin zurückfließen, der das Verhalten des realen Produktes simuliert. So lässt sich dieses Weiterentwickeln und um neue Serviceangebote wie Predictive Maintenance komplementieren.

Der multidisziplinäre Prozess

Die Entwicklung solch smarter Produkte ist ein multidisziplinärer Prozess, den herkömmliche Entwicklungswerkzeuge wenig unterstützen. Deshalb muss eine zukunftsfähige PLM-Bebauung die Möglichkeit bieten, Werkzeuge und Methoden des Model Based Systems Engineerings (MBSE) in die PLM-Prozesse zu integrieren und MBSE-Objekte wie Anforderungen oder Funktionen mit den PLM-Funktionen für Versions-, Änderungs- oder Konfigurationsmanagement zu verknüpfen. Zwingend ist zudem die Integration eines disziplinübergreifenden Anforderungsmanagement in der PDM/PLM-Landschaft, um die Anforderungen über den gesamten Lifecycle von der Erfassung bis zur Validierung verfolgen zu können.

Neue Formen der Verlinkung

Integrationsfähigkeit ist nicht nur in vertikaler, sondern auch in horizontaler Richtung wichtig, weil für smart Engineering weit mehr Daten in Beziehung zueinander gesetzt werden müssen, als klassischerweise mit PDM/PLM verwaltet werden. Dies erfordert einerseits leistungsfähige Integrationen zu ALM (Application Lifecycle Management) und ERP und andererseits einen Brückenschlag zu IoT-Plattformen, die Sensordaten aus dem realen Produkteinsatz sammeln. Die große Herausforderung besteht darin, die Daten intelligent miteinander zu verknüpfen, so dass die Produktkonfiguration für alle Disziplinen in jeder Phase des Produktlebenszyklus nachvollziehbar ist. Das erfordert neue Formen der Daten-Verlinkung. Solche Formen bieten Standards wie OSLC (Open Services for Lifecycle Collaboration), die den Zugriff auf Daten in unterschiedlichen IT-Systemen erlauben, ohne sie ständig austauschen und synchronisieren zu müssen.

Eine zukunftsfähige PLM-Lösung muss deshalb die Möglichkeit unterstützen, zu jedem Meilenstein eine sogenannte „Baseline“ zu ziehen. Dabei werden alle, in verschiedenen Datenquellen liegenden Informationen zeitbezogen „eingefroren“, um beispielsweise bei der Erteilung eines Fertigungsauftrags zu wissen, welche Entwicklungsobjekte zu dem betreffenden Auftrag gehören. In gewisser Weise ist dieses Cross Discipline Configuration Lifecycle Management die Voraussetzung für Digital Masters beziehungsweise Digital Twins im Sinne einer ausgelieferten Produktkonfiguration.

Grenzen überwinden

Die Entwicklung smarter Produkte führt zu einer stärkeren Zusammenarbeit über Domänen- und Unternehmensgrenzen hinweg. Es gilt nicht nur neue Partner, etwa im Service einzubeziehen, sondern komplett neue Player treten in die Collaboration-Prozesse ein. Dafür sind PLM-Systeme klassisch nicht vorbereitet, weshalb nach wie vor viele Informationen ohne Schutz für das geistige Eigentum per Mail ausgetauscht werden. Wesentlicher Bestandteil einer zukunftsfähigen PLM-Bebauung ist deshalb eine flexible Collaboration-Lösung, die unterschiedliche Szenarien von der punktuellen Zusammenarbeit bis zur Regelversorgung einer dauerhaften Partnerbeziehung oder eines Joint Ventures unterstützen kann.

Umbau der PLM-Systemlandschaft

Eine zukunftsfähige PLM-Bebauung muss also eine Vielzahl von neuen Anforderungen erfüllen, um die Digitalisierung der Entwicklungsprozesse effizient zu unterstützen. Aber wo soll ein Unternehmen mit dem Umbau der bestehenden PDM/PLM-Landschaft beginnen und wo lassen sich schnelle Nutzeneffekte (Quick Wins) erzielen?

Das herauszufinden ist Ziel einer PLM-Strategieberatung, die auch zukünftige Veränderungen antizipieren muss. Im Rahmen einer solchen Beratung werden zunächst die bestehende System- und Prozesslandschaft unter Berücksichtigung der Markttrends und der Produktstrategie des Unternehmens analysiert, um eine schlüssige Soll-Konzeption für die Architektur und Bebauung entwickeln und eine PLM-Roadmap definieren zu können. Die Berater sollten darüber hinaus in der Lage sein, den Kunden bei der Evaluierung der am Markt verfügbaren Lösungen (Erstellung eines PLM-Lastenhefts, Vorauswahl, Benchmarks und so weiter) zu unterstützen und entsprechende Empfehlungen zu unterbreiten. Ein ganz wichtiger Aspekt ist dabei die Berücksichtigung der Total Cost of Ownership, da die Kosten für Betrieb, Wartung und Updates der Systemlandschaft in der Regel die Anschaffungskosten übersteigen.

Modulares Vorgehensmodell

Basierend auf den Erfahrungen aus zahlreichen Beratungsprojekten hat die Prostep AG ein modulares Vorgehensmodell entwickelt, das sich in fünf Phasen unterteilt: Ist-Analyse, Soll-Konzeption, Evaluierung, Empfehlung und Roll-Out-Planung. Ein Industrie 4.0 Readiness Assessment kann die PLM-Strategieberatung ergänzen. Dieses hilft Unternehmen zu bewerten, welche Potenziale Industrie 4.0 ihnen bietet und wie sie auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorbereitet sind. Die Analyse des Industrie 4.0-Reifegrads basiert dabei auf einem methodischen Werkzeugkasten, der sich am Industrie-4.0-Leitfaden des VDMA orientiert und zudem die PLM-Fähigkeiten des Unternehmens untersucht. Dabei lässt sich dieser Workshop perfekt mit der Ist-Analyse im Rahmen der PLM-Strategieberatung kombinieren.

Der modulare Charakter des Vorgehensmodells erlaubt es, je nach Anforderung entsprechende Bausteine miteinander zu kombinieren. Es kann beispielsweise sein, dass der Kunde gar keine vollständige PLM-Strategieberatung benötigt, sondern nur verschiedene Konzeptvarianten, die Schlüsselthemen wie Änderungs- oder Stücklistenmanagement betreffen. Eine vollständige PLM-Strategieberatung einschließlich Benchmark kann in Summe schon mal ein gutes halbes Jahr dauern. Ein Aufwand, der sich jedoch lohnt, da so der Roll-Out beschleunigt werden kann.

Die PLM-Strategieberatung endet normalerweise mit der Planung des Roll-Outs, was aber nicht heißt, dass Prostep die Anwender nicht auch bei der Implementierung begleitet – sofern der Kunde das wünscht, was immer häufiger der Fall ist. Besonders vorteilhaft ist eine enge Verzahnung von PLM-Beratung und -Implementierung, wenn Unternehmen sich für eine agile Projektmethodik entscheiden. Prostep schlüpft dann beispielsweise in die Rolle eines „Product Owners“ und entlastet die Anwender von Zusatzaufgaben, die mit der agilen Implementierung verbunden sind. jbi |

Autor: Peter Wittkop ist Lead Expert bei der Prostep AG in Köln.


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