24.10.2022 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
Produktkonfiguration und die Rolle von KI: Experten im Gespräch
Um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden, setzen Anbieter variantenreicher Produkte zunehmend auf CPQ-Systeme.
Wie diese Lösungen dabei helfen, mit den angespannten Lieferketten, Materialengpässen und Preisschwankungen zurechtzukommen, darüber sprechen wir mit vier Fachleuten für die Produktkonfiguration.
Produktkonfiguration unter schwierigen Bedingungen: Unsere Fragen
- Angespannte Lieferketten, Materialengpässe und Kostensteigerungen erschweren derzeit den Vertrieb von Industriegütern. Wie gelingt es unter diesen Bedingungen das Produktwissen auf dem aktuellen Stand zu halten?
- Was hat sich am Kaufverhalten der Kunden durch die Krisen geändert, und wie spiegeln sich diese Veränderungen in Ihren Lösungen für die Produktkonfiguration wider?
- Können Sie uns, bitte, hierfür ein Beispiel nennen?
- Inwiefern können künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen dazu beitragen, die Konfiguration noch besser auf die Anforderungen der Kunden abzustimmen?
1. Gerade solch herausfordernde Zeiten sollten genutzt werden, den Vertrieb bestmöglich zu unterstützen. Eine der zentralen Herausforderungen aktuell sind die nahezu täglich schwankenden Einkaufpreise und somit auf die Verkaufspreise. Manche Varianten können vorübergeheng auch gar nicht angeboten werden. Über einen Angebotskonfigurator mit einem guten Datenpflege-Tool lässt sich das Produktwissen schnell und einfach pflegen und den aktuellen Gegebenheiten anpassen. So stehen allen Vertriebsmitarbeitern beispielsweise die korrekten Preise und Lieferzeiten zur Verfügung oder derzeit nicht lieferbare Produkte können zwischenzeitlich aus dem Angebotstool herausgenommen werden. Über die Einführung eines Webkonfigurators steht dieses Wissen sogar den Kunden direkt zur Verfügung.
2. Die Krise hat den Trend zu einem veränderten Kaufverhalten von Kunden noch beschleunigt. Immer mehr Interessenten wollen zunächst gar nicht vom Vertrieb angesprochen werden, sondern sich selbst informieren. Sie sind aus dem B2C-Geschäft eine Customer Experience gewöhnt, die sie immer mehr auch im B2B erwarten. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Zugang für Vertriebler zu den Interessenten aufgrund von wiederkehrenden Einschränkungen wieder schwerer werden kann. Wir sehen daher den Trend zum Einsatz von Webkonfiguratoren gekoppelt mit 2D/3D-Visualisierung im B2B. Interessenten stellen Ihre Produkte visuell gestützt selbst zusammen und hinterlassen wertvolle Daten. Auch der Vertrieb kann einen Webkonfigurator als digitalen und visuellen Showroom nutzen.
3. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Konfigurationsplattform unseres Kunden Hager Group, einem Spezialisten für elektrotechnische Installationen in Im-mobilien. Die CPQ-Plattform wurde und wird sukzessive ausgebaut und umfasst heute ca. 30 Konfiguratoren für mehrere Marken und Länder. Die Zusammenstellung der Produkte ist durch die 3D-Darstellungen und interaktive Konfiguration im 3D-Raum für den Anwender extrem intuitiv und optisch ansprechend. Von diesen Tools profitiert Hager selbst, ebenso wie seine Fachpartner, Großhändler und Endkunden. Ein Paradebeispiel für eine zeitgemäße Customer-Journey!
4. Da sehen wir vor allem den Einsatz von Business Intelligence & Analytics. Hiermit lassen sich aus den Konfigurationsdaten von Kunden und Interessenten wertvolle Ableitungen ziehen. In den Daten liegt Wissen verborgen, zum Beispiel zu Anforderungen von Kunden, zu präferierten Varianten oder zu Schwerpunkten unterschiedlicher Märkte. Also: Warum haben sich Kunden eigentlich für eine Produktvariante entschieden? Und hätte man dieses Bedürfnis nicht auch mit einem kleineren – und somit preisgünstigeren – Produkt befriedigen können, das Sie heute noch gar nicht im Portfolio haben? Dieses Wissen erlagen Sie nur, wenn Sie die Anforderungen der Kunden digital erfassen und das Ergebnis dagegen auswerten. Im Laufe der Zeit lassen sich so Rückschlüsse zu Marktbedürfnissen generieren, die sie so strukturiert durch Befragung der Vertriebsmitarbeiter nie erhalten würden.
Das Zusammenspiel von menschlicher und künstlicher Intelligenz
1. Die genannten Aspekte beeinflussen die Konfiguration von Produkten und Lösungen aus EAS Sicht nicht. In Angeboten sind die Lieferzeiten natürlich an diese Aspekte anzupassen.
2. Das Kaufverhalten ist aus EAS Sicht durch die Krisen vorsichtiger geworden. Auf die Lösungen zur Produktkonfiguration hat dies aber keinen Einfluss.
3. Nein, leider nicht, da sich die Veränderungen nicht in unseren Lösungen widerspiegeln.
4. Aus EAS Sicht müssen erst einmal die menschliche Intelligenz weiter im Thema CPQ angewendet und die Kenntnisse zu den Themen Modularisierung, Standardisierung und CPQ (Produktkonfiguration und Angebotskalkulation) breiter zur Durchdringung (im Maschinen- und Anlagenbau) gebracht werden. Die beteiligten Menschen müssen lernen mehr in Baukästen und konfigurierbaren Produktfamilien zu denken. Die künstliche Intelligenz ist ja in den jeweiligen Produktkonfiguratoren realisiert (unter anderem mit Fachwissen und Produktlogik).
1. Die P´X Industry Solution integriert sich eng in ERP-Systeme, die üblicherweise Einkaufspreise, Lieferzeiten und Verfügbarkeitsdaten vorhalten. Dies ermöglicht tägliche Updates, so dass Konfigurationen immer auf aktuellen Informationen beruhen können. Wenn Komponenten nicht verfügbar oder zu teuer sind, kann der Anwender flexibel Alternativen aus den Produktkatalogen wählen. Ob diese technischen Möglichkeiten auch genutzt werden (können), müsste man sich im Einzelfall ansehen.
2. Wer im vorherrschenden Projektgeschäft neue Tools zur Online-Präsentation und Visualisierung nutzen kann, ist während der Pandemie klar im Vorteil. Im Consumer Communicator von Perspectix können Berater ihren Kunden Konfigurationsvorschläge und dazugehörige Dokumente in einem projektbezogenen Web-Frontend zur Verfügung. Die Kunden greifen per Weblink darauf zu und können das Projekt in 3D-Ansichten betrachten. Für das Produktgeschäft haben wir einen Web-Konfigurator entwickelt, das Geschäft mit Ausrüstungsgegenständen, vorkonfigurierten Komponen-ten oder Ersatzteilen vereinfacht und beschleunigt.
3. Auf Basis unseres Web-Konfigurators bietet Bosch Rexroth seit Jahresbeginn den MTpro Online Designer zur Planung und Konfiguration des umfangreichen Produktspektrums der Montagetechnik an. Bei bott können Elektriker, Sanitär-Installateure, Maler oder Bauunternehmen ihre Transporter, Pick-ups oder Kombis die nach Branchen oder Funktionen vorkonfigurierten Module von bott vario3 passgenau auf einem Grundriss ihres Fahrzeugs platzieren und individualisieren.
4. Während der Konfiguration müssen oft technische Berechnungen durchgeführt werden, die an den Einsatz von künstlicher Intelligenz erinnern – etwa bei der Auslegung von Rohrquerschnitten, Kühlzellen oder Motorleistungen. Vielleicht lassen sich „lernende“ Komponenten eines Tages leichter konfigurieren und verbauen. Ein weiteres Gebiet sehe ich bei der Sortiments- und Angebotsplanung: Gera-de Webshops lassen sich nach vielen Kriterien umfassend auswerten. Das lässt sich sicher auf die Online-Konfiguration übertragen, so dass wir genauere Daten für erfolgreiches Manufacturing to Order erhalten.
1. Wir glauben, dass ein PLM-System mit voll integriertem Produktkonfigurator die beste Kombination ist, um das Management rund ums Produktwissen im Unternehmen so effizient wie möglich zu halten und zu nutzen. Denn im Bereich der Produktkonfiguration liegt unglaublich viel Potenzial: Die Produktplanung wird deutlich transparenter, da Produkte direkt im PLM-System konfiguriert und gleichzeitig alle Daten und Dokumente bis zur Stückliste in einem System verwaltet werden. Hierdurch können unsere Kunden aktuellen Herausforderungen begegnen, indem sie Lieferketten effizienter gestalten und Engpässen entgegensteuern können.
2. Derzeit investieren Unternehmen und versuchen, ihre internen Prozesse besser aufzustellen und zu digitalisieren. Die Pandemie hat alle Unternehmen getroffen – ob nun positiv oder negativ. Wer seine Prozesse digital überschaut, kann von überall aus arbeiten und sich frühzeitig um Ausfallszenarien kümmern. Die Investitionsbereitschaft und der Wille, Arbeitsprozesse effizienter und digitaler zu gestalten, spiegelte sich auch in unserem letzten Geschäftsjahr wider: Die Procad-Gruppe konnte die Kundenzahl und Umsätze nochmals zum Vorjahr steigern. Ein Zeichen, dass eine einheitliche Wissensbasis samt integriertem Produktkonfigurator den Bedarf am Markt anspricht.
3. Ein führendes Unternehmen im Bereich der Hochfrequenztechnik nutzt das Produktmanagementsystem Pro.File und verbesserte somit die Qualität sowie den einheitlichen Austausch seiner Daten. Gleichzeitig schaffte die Einführung eines einheitlichen Systems, die Prozesse der Konstrukteure zu verschlanken und ihre Effizienz signifikant zu steigern.
4. Von Verhaltensmustern lernen und diese in einen automatisierten Prozess bringen, spart nicht nur Ressourcen sondern auch Zeit und Aufwand. Damit werden Kapazitäten für andere Themen frei – ein kritischer Faktor beim aktuellen Fachkräftemangel. So können etwa regelmäßige Konstruktions- und Designaufgaben automatisiert werden. Aber auch fachbereichsübergreifende Geschäftsprozesse werden intelligenter vereinheitlicht und digitalisiert, um die manuelle Arbeitslast der wiederkehrenden Workflows zu übernehmen. Bei der Produktkonfiguration können KI und ML Empfehlungen vorschlagen, die derzeitige Lieferengpässe berücksichtigen. So könnte die KI beispielsweise vorschlagen, ein anderes, zusätzliches Bauteil zu verwenden, das aus Bulgarien bezogen wird und unabhängig von der Lieferkette Ukraine/Russland etc. beschafft werden kann.
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