29.02.2016 – Kategorie: Branchen

Projektmanagement im Bauwesen: Erfolg hat viele Gesichter

Projekt im Spannungsfeld der Sichtweisen.

Die Frage, ob ein Projekt als erfolgreich oder gescheitert beurteilt wird, wird oft unterschiedlich beantwortet. Zum einen ist das davon abhängig, welche der projektbeteiligten Personen und Institutionen befragt werden und zum anderen, zu welchem Zeitpunkt gefragt wird. Von Christoph Jelitto

Ist ein Projekt dann erfolgreich, wenn der Auftraggeber es abgenommen hat oder erst dann, wenn die letztendlichen Nutzer des Projektergebnisses bei ihrer späteren Verwendung des Ergebnisgegenstandes zufrieden sind?
Beantwortet man die letzte Frage mit einem Ja, ist nicht nur die Effizienz der Projektdurchführung, sondern auch die Effektivität schon bei der Projektauswahl kritischer Faktor für den Projekt- und Projektergebnis-Erfolg. Daraus wird schnell deutlich, dass der Fokus auf das jeweils „eigene“ magische Projektdreieck der Beteiligten, also der alleinige Blick auf Kosten, Leistungen und Zeit, im Controlling keinesfalls hinreichend für den (Gesamt-) Projekterfolg sind.

Ästhetik des Projekterfolgs: eine Dreieckspyramide

Insbesondere in Bauprojekten gibt es sicherlich mehr als ein „Dreieck“, das in irgendeiner Art und häufiger Weise als „magisch“ bezeichnet werden kann. Auftraggeber, Kunden und Auftragnehmer stehen in einer Dreiecksbeziehung, die oftmals auch als mehr oder minder „magisch“ empfunden wird. Ob ein Projekt in seiner Gesamtheit, also für alle drei Anspruchsgruppen, letztendlich als erfolgreich bewertet wird, ist, wie bei vielen anderen Projekten, vom Grad der Deckungsgleichheit der Sichtweisen im Blick auf das noch zu realisierende Projektergebnis abhängig und entscheidet sich somit schon in den frühen Projektphasen der Definition und Planung.

Magisches Dreieck des gemeinsamen Projektverständnisses.

 

Inwieweit Auftraggeber, Auftragnehmer und Kunde ähnliche Vorstellungen haben, lässt sich anhand des nebenstehenden Dreiecks veranschaulichen. Im Fall von vollständiger Übereinstimmung ergibt sich ein gleichseitiges Dreieck, dieses bildet gewissermaßen das Fundament für den weiteren Projekterfolg. Unterschiedliche Seitenlängen mindern die „Ästhetik“ und verringern damit die Chancen eines hohen (Gesamt-) Projekterfolgs.     
Ändern wir den Blickwinkel etwas und betrachten das Projekt aus den jeweiligen Sichten der Beteiligten am Projektende. Aus Sicht des Auftraggebers ergeben sich folgende drei wichtige Blickwinkel:

  • Was wollte ich ursprünglich haben?
  • Was habe ich tatsächlich beauftragt?
  • Was habe ich dem Kunden verkauft?

Im besten Fall lassen sich alle drei Fragen mit einer identischen Antwort klären und es ergibt sich auch hier ein gleichseitiges Dreieck. Während die ursprüngliche Erwartung hinsichtlich des Projektergebnisses von Beginn des Projekts an besteht, ergeben und realisieren sich die beiden anderen Seiten zumindest teilweise auch erst im Projektverlauf.

Projekt im Spannungsfeld der Sichtweisen.

 

Ähnlich verhält es sich auf Seiten der Auftragnehmer und Kunden. Für den Auftragnehmer ist zum einen relevant, was an zu erbringender Leistung erwartet war und im Projektverlauf tatsächlich getan wurde, zum anderen stellt sich die Frage, was tatsächlich beauftragt und schlussendlich geliefert wurde. Neben der Vorstellung der Kunden, was sie einmal bekommen werden, ergibt sich für diese Gruppe die Fragestellung darüber, was sie am Ende bekommen und wofür sie bezahlt haben. Gehen wir davon aus, dass alle Anspruchsgruppen sich selbst aus vielen einzelnen Personen oder Institutionen zusammensetzen – wir es also im schlimmsten Fall mit vielen Auftraggebern, vielen Auftragnehmern und vielen Kunden zu tun haben –, ergeben sich eine Vielzahl von weiteren Dreiecksbeziehungen, was sicherlich nicht gerade „dekomplizierend“ wirkt.
Anhand der Betrachtung der „Einzeldreiecke“ offenbaren sich nicht nur Schnittstellen zwischen den Beteiligten, wir können – ausgehend von einem Projekt, das von Anfang bis Ende „perfekt“ läuft – feststellen, dass alle Seiten aller angesprochenen Dreiecke identisch sind. Auf unserem ursprünglichen Fundament entwickelt sich so im Zeitverlauf des Projekts eine dreiseitige Pyramide. Die vollkommene Ästhetik ergibt sich, wenn Auftraggeber-, Auftragnehmer-, und Kundendreieck vollkommen deckungsgleich sind. Unschärfen zwischen den Erwartungen und während der Realisierung führen dazu, dass die Gleichmäßigkeit unserer Erfolgspyramide beeinträchtigt wird und mehr oder weniger seltsame und wenig ästhetische geometrische Gebilde des Projekterfolgs entstehen.

Gesamterfolg, die Projektpyramide.

 

Beispiel BER: Pyramide mit Löchern?

Versucht man sich nun beispielhaft den noch immer im Bau befindlichen Flughafen Berlin unter den beschriebenen Aspekten vorzustellen, ergibt sich ein wenig ästhetisches Bild. Schon das Fundament gerät ins Wanken, geht man davon aus, dass die Auftragnehmer hinsichtlich dessen, was geleistet wurde und noch zu leisten ist, mehr erwarten, als Auftraggeber und künftige Kunden erhofft haben, jemals ausgeliefert zu bekommen. Im Vergleich zum Fundament ist die Pyramide schon zu weit in die Höhe gewachsen, um eine akzeptable Ästhetik zu wahren.
Mehr noch, die Erfolgspyramide ist nicht nur ungleich, was die Seitenlängen betrifft, auf der „Kundenseite“ klafft ein riesiges Loch, da noch immer kein Nutzen für den Kunden entstanden ist. Die Ursachen für den aktuellen Zustand des Projekts mögen vielfältig sein und lassen sich von außen auch nur schwer beurteilen; es drängt sich aber zumindest der Verdacht auf, dass im bisherigen Projekt-Controlling so genannte Spätindikatoren überwiegen und zu wenige Frühindikatoren Beachtung gefunden haben, warum auch immer. Auch wenn das Financial Controlling weitverbreitet eine hohe Reife hat, sind es nicht immer die Financials, die uns rechtzeitig Warnungen über eine notwendige Steuerungsmaßnahme liefern.

BIM: Akzelerator für Projekterfolg?

Soll ein Projekt von Beginn an zielgerichtet gesteuert werden, muss der Blick von Anfang an auf das Projektfundament, also das gemeinsame Projektverständnis aller Beteiligten, gerichtet werden. Je früher, je greifbarer und je sichtbarer das Ergebnis visualisiert werden kann, desto größer ist die Chance, Unschärfen und Differenzen in den Sichtweisen aller Beteiligten kleinzuhalten: die Varianz des Projektverständnisses kann auf diese Weise also direkt und positiv beeinflusst werden.

Versucht man sich nun beispielhaft den noch immer im Bau befindlichen Flughafen Berlin Brandenburg unter den beschriebenen Aspekten vorzustellen, ergibt sich ein wenig ästhetisches Bild. Bild: Günter Wicker/Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

 

Unter diesem Gesichtspunkt fördert das Building Information Modeling nicht nur (und wie schon oft beschrieben) die Effizienz in der Projektabwicklung, sondern wirkt auch positiv auf die Effektivität der gesamten Projektlandschaft. Vereinfacht gesagt: Die Beteiligten machen die Dinge nicht nur „richtiger“ (Effizienz), sondern auch die „richtigeren“ Dinge (Effektivität). Ein hohes Maß an Transparenz und Verständnis fördert auch die Effizienz und Effektivität in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Auftragnehmern – also der Vielzahl der anfangs beschriebenen Dreiecksbeziehungen. Die erhöhte Effektivität und Effizienz sollte im Projektablauf auch dazu führen, dass die Anzahl notwendiger Änderungen oder Nachträge im Vergleich sinkt; das Potenzial, gewünschte Änderungen in akzeptabler Zeit umzusetzen zu können, sollte hingegen größer werden. Diese so gewonnenen Vorteile werden sich dann auch zu guter Letzt im Financial Controlling niederschlagen. (anm)

Der Autor, Dipl. rer. pol. Christoph Jelitto, ist Partner der adensio GmbH. 


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