30.05.2023 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
Schweißfolge digitalisieren: Diese Software macht es möglich
Energieeffizient mit modernen Techniken schweißen ist das eine. Seine Prozesse für das beste Ergebnis optimieren das andere. Doch in der Konstruktion nimmt das Schweißen oft eine Nebenrolle ein – Anforderungen werden mündlich oder als Zeichnungen an die Ausführenden weitergegeben oder deren Know-how überlassen. Dabei bieten CAD-Programme Funktionen, um Schweißnähte zu modellieren und zu dokumentieren.
Mit CAD-Lösungen können eine optimale Ausführung vorbereitet und das Qualitätsmanagement vereinfacht werden. Und es geht noch weiter: Ein CAD-Systemhaus baut zurzeit in Zusammenarbeit mit einem Schweißfachingenieur an der Funktion eines digitalen Plans der Schweißfolge, der eine große Prozesslücke schließen kann.
Die Zukunft des Schweißens
Unternehmen, die Schweißbaugruppen fertigen, müssen sich dem Wandel am Markt stellen: Nur wer auf die zentralen Fragen wie Fachkräftemangel und energieeffiziente Produktion die passenden Antworten findet, wird eine Zukunft haben. Der erste Schritt besteht hier in einer ressourcenschonenden Konstruktion unter Berücksichtigung des Einsatzes effizienter Schweißverfahren. Das Ziel lautet dann, bei so wenig Wärmeeinbringung wie möglich einen ausreichenden Einbrand, das heißt eine gewisse Aufschmelztiefe im Grundwerkstoff zu erreichen. Viele Schweißverfahren und alte Maschinen brennen allerdings deutlich mehr ein, als notwendig ist. Das bedeutet nicht nur die Verschwendung von Energie; eine zu hohe Wärme wirkt sich auch auf die Qualität der Schweißnaht aus und kann eine größere Verformung und Spannungen im Bauteil bedeuten.
Schweißfolge optimal festlegen
Nun erfordern moderne Werkstoffe eine gezielte Wärmeeinbringung; Vorwärm- und Zwischenlagentemperaturen sowie Abkühlgeschwindigkeiten müssen eingehalten werden. Um eine bessere Wärmeverteilung und ein gleichmäßiges thermisches Feld zu erzielen, muss die Schweißfolge festgelegt werden, auch die Schweißrichtung spielt eine entscheidende Rolle. Lange Schweißnähte werden in Teilstücke aufgeteilt und in einer bestimmten Reihenfolge abgeschweißt, um die Wärme bestmöglich im Bauteil zu verteilen, zum Beispiel im sogenannten Pilgerschritt. So lassen sich von Temperaturdifferenzen verursachte Schrumpfungen minimieren. Diese Schrumpfungen treten beim Erstarren und Abkühlen des Schweißgutes auf; sie können zu unerwünschten Verformungen führen. Manche Unternehmen unterhalten eine eigene Abteilung, um die Verformungen wieder zu richten – die Teile werden mit hydraulischen Pressen bearbeitet oder spannungsarm geglüht, um die Spannung über Wärme abzuführen und die Naht zu entlasten. Andere versuchen die Schrumpfung zu verhindern und die Verformung zu vermeiden, was aber dazu führt, dass Eigenspannungen in den Bauteilen entstehen. Diese können so hoch sein, dass es ohne weitere Belastung zur Rissbildung in Form von Sprödbruch, Ermüdungsbruch und Spannungsrisskorrosion kommt.
Eine intelligente Lösung erlaubt es hier, die Schrumpfkräfte und den erwarteten Verzug zum Vorteil zu nutzen. Sie wirken als Längs-, Quer- und Winkelschrumpfung in drei Richtungen, und es entsteht ein 3D-Eigenspannungsbild. Liegt Verständnis dafür vor, können vor dem Schweißen passende, das heißt entgegengesetzte Eigenspannungen in das Bauteil eingebracht werden – die Schrumpfung baut diese dann ab. Durch diese Aufhebung der eingebrachten Spannung entspannt sich das Bauteil.
Analoger Schweißfolgeplan mit relevanten Informationen
Um all diese erforderlichen Informationen für die schweißtechnische Fertigung zu liefern, wird in Unternehmen ein Schweißfolgeplan erstellt. Er führt also auf, welche Nähte wann, wie und in welche Richtung geschweißt werden, wie die einzelne Schweißnaht untergliedert und am Bauteil verteilt wird. Dieser Schweißfolgeplan erfolgt als Fließtext oder durch Zeichnungen mit Nummerierung der Schweißnähte. Das Problem: Was für den Ersteller verständlich ist, muss es nicht unbedingt für den Schweißer sein. Oft fehlen wichtige Angaben, um das gewünschte Ergebnis ohne weitere Nacharbeit erzielen zu können. Nicht selten werden diese Angaben mündlich zwischen Schweißaufsicht und Schweißer kommuniziert. Dieser Prozess ist alles andere als effizient, denn in der Regel machen Urlaub, krankheitsbedingte Ausfälle und Mitarbeiterwechsel den Workflow unübersichtlich und damit auch schnell fehlerhaft. Oder die Beschreibung fällt noch rudimentärer aus, und man geht davon aus, dass die Werkstatt schon wissen wird, was sie tut. Unterm Strich ergeben sich auch Probleme bei der Dokumentation: Die erzeugte Naht „as built“ wird nicht digital dokumentiert; die Auswirkungen auf Folgeprozesse sind nicht absehbar. Eine fundierte Ausführung der Schweißnähte ist somit nicht gegeben. Sie wird vielmehr der Erfahrung oder dem Zufall überlassen.
Schweißnähte mit CAD-Software modellieren
Die Lösung liegt hier in einer Software. Unternehmen sind sich oft nicht darüber im Klaren, wie viele Möglichkeiten CAD-Systeme zum Thema Schweißen bereits vorhalten. So lassen sich sämtliche Informationen über die Schweißnähte digital erfassen. Autodesk Inventor verfügt zum Beispiel über ein Schweißmodul mit Baugruppenvorlagen, das es erlaubt eine Schweißnaht in 3D zu modellieren. Auf 2D-Zeichnungen können die Nähte als Symbole dokumentiert werden. Mit dem Schweißnahtgenerator lassen sich Nähte schnell und übersichtlich vorbereiten. Auch Vorbereitungen wie eine Bearbeitung von Bauteilen mit Phasen sind abbildbar – nur in der Schweißbaugruppe und nicht in den Einzelteilen.
Es ist wichtig, Schweißnähte in der 3D-Konstruktion zu berücksichtigen und nicht nur auf der 2D-Zeichnungsableitung darzustellen. Manche Unternehmen erstellen eine virtuelle Komponente mit dem geschätzten Gewicht der Schweißnähte im 3D-Modell. Dadurch passt die Masse der Hauptbaugruppe. Noch besser ist es, die Schweißnähte im 3D-Modell in einer Schweißbaugruppe zu erzeugen. Erst dann kann der gesamte Workflow von der Vorbereitung über das Schweißen bis zur Nachbearbeitung abgebildet werden. Auch die Dokumentation der Naht kann man mit einer Messung über einen 3D-Scan digitalisieren: Dabei wird die Punktewolke des Scans mit der Soll-Vorlage des CAD-Programms abgeglichen. Das System ist viel genauer als eine Handmessung und benötigt keine Fachkräfte.
Schweißfolge digitalisieren: Ressourcen sparen und Qualität verbessern
Wer zahlreiche Schweißbaugruppen fertigt, kann durch eine solche Software Zeit und damit Produktionskosten sparen und die Qualität seiner Produkte entscheidend verbessern. Auch andere Abteilungen wie FEM profitieren von einem digitalen Tool. Der Verzug kann durch einen optimalen Prozess minimiert werden, Abteilungen wie das Richten werden obsolet, wenn die Schweißnähte keine Nacharbeit mehr erfordern und auch die Spritzerbildung und damit Reinigungsarbeiten lässt sich reduzieren.
So setzt ein Hersteller von Gabelstapleranbaugeräten neueste Technologien und Software für die Herstellung dynamisch beanspruchte Schweißbaugruppen ein. Damit können die negativen Wirkungen der Fertigung auf die Bauteileigenschaften – Werkstoffzustand, Formgenauigkeit und Abmessungstoleranzen, Festigkeit und Steifigkeit – in den verschiedenen Phasen der Herstellung begrenzt werden. Unter strikter Einhaltung einer festgelegten Schweißfolge werden die geforderten Toleranzen ohne Nachrichten eingehalten und die Eigenspannungen in den Bauteilen geringgehalten.
Unkomplizierte Zusammenarbeit von Experten
Wichtig ist, dass ein Tool für das Schweißen auch Möglichkeiten einer übergreifenden Zusammenarbeit bietet. Denn die Ingenieure und technischen Zeichner der Konstruktion sind in der Regel keine Schweißexperten. Und manchmal ist es erforderlich, für die Bestimmung der Lage und der Reihenfolge der Schweißnähte im Entwicklungsprozess mit Experten zusammenzuarbeiten – gerade, wenn viel geschweißt wird oder Schweißbaugruppen sicherheitsrelevant sind. Eine Software kann als interaktive Plattform eine Umgebung bereitstellen, die Konstrukteure und Schweißfachingenieure zusammenbringt: Das cloud-basierte PLM-System Fusion 360 Manage von Autodesk erlaubt zum Beispiel mit dem Design Review die Zusammenarbeit anhand von 3D-Modellen. Anwender können den gesamten Schweißprozess digital abbilden und sämtliche Dokumentationen allen Beteiligten bereitstellen. Unternehmen, die ihre internen Prozesse noch nicht mit einem solchen PLM-System digital abbilden wollen, bietet Autodesk mit dem PDM-System Vault Professional und dem Fokus auf das Dokumentenmanagement die Möglichkeit für externe Zusammenarbeit sowie das Teilen von Zeichnungen und Modellen.
Schweißfolge mit Software abbilden?
Eine große Erleichterung wäre es, auch den Schweißfolgeplan mit einer Software abbilden zu können. Digital wäre die Darstellung der Schweißfolge leicht abbildbar und nachvollziehbar. Über ein Tool könnte dann jede Schweißnaht per Klick sämtliche Informationen in Form einer hinterlegten Schweißanweisung für den Schweißer enthalten. Die Vorteile wären greifbar: Die Zeit zur Erstellung der Pläne kann reduziert werden, es ist keine aufwändige Einarbeitung des Schweißers erforderlich und auch sprachliche Barrieren wären durch Visualisierungen und Animationen überwindbar. Vordefinierte Ziele können reproduzierbar erreicht werden und gleichzeitig sinkt die Fehlerquote. Autodesk Inventor bietet bereits die Möglichkeit, Zusammenbaureihenfolgen zu simulieren und als Videodatei auszugeben. Ein Ziel ist es jetzt, diese Funktionalität auch für Schweißnähte zu entwickeln. Das CAD-Systemhaus Contelos ist in Zusammenarbeit mit Frank Koppe dabei, diese Lücke in der Funktionalität durch eine Zusatzprogrammierung zu schließen.
Fazit
Eine CAD-gestützte Modellierung von Schweißnähten hat für Unternehmen zahlreiche Vorteile: Die Vorgaben können bei Bedarf in digitaler Zusammenarbeit mit Experten entwickelt, präzise dargestellt und an die Ausführenden übermittelt werden. Eine abschließende Messung erlaubt den Vergleich mit den Soll-Vorgaben des CAD. Der verbesserte Prozess erhöht insgesamt die Qualität der Schweißnähte und verringert damit Nacharbeiten wie das Richten. Wird der Schweißfolgeplan digital integriert, ist der gesamte Prozess lückenlos abbildbar.
Die Autoren: Mathias Voigt ist Bereichsleiter Produktdesign und Fertigung bei der Contelos GmbH. Frank Koppe beschäftigt sich mit der Optimierung von Prozessen rund um die Schweißtechnik. Er unterstützt Firmen bei der Umsetzung von schweißgerechter Konstruktion bis zu einer qualitätsorientierten Fertigung.
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