12.12.2016 – Kategorie: Hardware & IT, Technik
Simulationsbasiertes Engineering für Industrie 4.0
In Unternehmen werden Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel zunehmend als sogenannte CPS (Cyber Physical Systems) realisiert. Dabei arbeiten autonome Mechanik-, Elektronik- und IT-Komponenten zusammen, indem sie Informationen austauschen, eigenständig Aktionen auslösen und sich gegenseitig steuern. Verstärkt nutzen Unternehmen — unabhängig von Größe, Einsatzbereich und Anwendungsfall — das sich daraus ergebende Potenzial. Eine etablierte Lösung für die Inbetriebnahme realer Steuerungen mit realen Feldbussen (inklusive Safety) an virtuellen Systemen in Steuerungsechtzeit (realzeitdeterministisch mit 1ms) ist ISG-virtuos. Nicht nur Baugruppen und einzelne Maschinen lassen sich damit eingehend testen, sondern auch komplexe Produktionsanlagen mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Steuerungen.
Simulation spart Kosten
Wenn beispielsweise Fahrzeugbauer eine neue Produktionslinie für bestimmte Fahrzeugtypen oder Motorenkomponenten bereits vor Inbetriebnahme virtuell auf Qualität und Performance testen, spart das Zeit und Geld. Das Simulationsmodell („digitaler Zwilling“) steht bereits in der Entwicklungsphase zur Verfügung und berücksichtigt die Belange aller beteiligten Unternehmensbereiche. Es begleitet die Anlage über ihr gesamtes Produktleben – jederzeit verfügbar für virtuelle Inbetriebnahmen, Anlagenoptimierungen im Betrieb, Fernwartung, Mitarbeiter- und Kundenschulungen usw. Diesen Trend zum simulationsbasierten Engineering zeigt sich darin, dass die ursprünglich für den Werkzeugmaschinenbau ausgelegte virtuelle Inbetriebnahme oder mechatronische Simulation in Steuerungsechtzeit verstärkt bereits ab der Konzeptphase über die gesamte Lebensdauer einer Maschine oder Anlage hinweg zum Einsatz kommt. Um flexible und rekonfigurierbare Produktionssysteme verwirklichen zu können, sind zunehmend neue Planungsansätze auf Basis von Simulationsmodellen erforderlich, die die reale Welt möglichst ohne Einschränkung abbilden.
Reale Tests mit virtuellen Komponenten im Millisekunden-Takt
Anders als bei „Trial-and-Error-Konzepten“ müssen Unternehmen ihre Anlage bei der Simulation nicht mehr komplett auf- oder umbauen, um sie umfassend testen zu können. Finden solche Tests real, im laufenden Betrieb statt, ist bei etwaigen Fehlern mit Produktionsausfällen und Lieferverzug zu rechnen. Hier liegt die große Stärke virtueller Tests. Bei einer Lösung mit ISG-virtuos lässt sich nicht nur die Steuerungstechnik (PLC, CNC) einer Maschine, sondern sogar kompletter Anlagen, über die jeweiligen realen Feldbusse an ein Simulationssystem anschließen (Hardware-in-the-Loop-Simulation). Dieses testet im Detail das Zusammenspiel von Steuerungen und der späteren Maschine in Bezug auf Qualität, Performance und bestimmte Produktionsabläufe – im Millisekundentakt. Da die virtuellen Komponenten bei ISG-virtuos die gleichen Schnittstellen und das gleiche realzeitdeterministische Verhalten wie reale Komponenten haben, lassen sich die Ergebnisse ohne Einschränkungen auf die reale Anlage übertragen. Damit die Anwender das dynamische Verhalten ihrer virtuellen Fabrik nicht nur visualisieren sondern in Steuerungsechtzeit mit geringem Aufwand simulieren können, werden in ISG-virtuos auch im Bereich der physikbasierten Materialflusssimulation realzeitdeterministische Algorithmen eingesetzt. Ferner lassen sich bereits in der Konzeptphase zahlreiche Projektierungs- und Offline-Programmierwerkzeuge über offene Standardschnittstellen nahtlos integrieren. Die Vorteile der durchgängigen Engineering-Plattform können so effizient genutzt, die Zeit- und Kostenersparnis voll ausgeschöpft werden. Auch zur Analyse neuer Konzepte eignet sich ISG-virtuos: Unternehmen können diese vorab überprüfen, ohne dafür zeitaufwändig kostspielige Prototypen herstellen zu müssen. Zugleich arbeiten verschiedene Unternehmensabteilungen, etwa mechanische und Elektrokonstruktion, Produktion, IT und Vertrieb, enger zusammen, weil sie auf Basis der Simulation die beste Lösung gemeinsam diskutieren und unmittelbar überprüfen können.
Reale Produktionsszenarien virtuell erproben
Mit einer Simulationslösung nehmen Anlagen- und Maschinenbauer reproduzierbare Tests vor, überprüfen die Inbetriebnahme der Steuerungen und führen neben Performanceoptimierungen eingehende virtuelle Factory Acceptance Tests (FATs) durch. Auch der komplette Test von Produktionsläufen mit virtuellen Werkstücken und realen Produktionsdaten ist möglich. Zudem können Unternehmen beispielsweise simulieren, wie sich die Steuerungstechnik im realen Betrieb bei einem Störfall verhält und wie die Anwender an der Anlage darauf reagieren müssen. Ein weiterer Vorteil: Notwendige Anpassungen werden frühzeitig erkannt – noch bevor die reale Anlage aufgebaut oder umgerüstet ist. Weil Kollisionen, Fehlfunktionen und Ablaufprobleme gar nicht erst auftreten, hilft die frühzeitige Fehlererkennung und -behebung auch, im laufenden Betrieb Folgekosten einzusparen. Nicht zuletzt profitieren auch Engineering-Unternehmen mit Verantwortung für die Gesamtauslegung eines innovativen und flexiblen Produktionssystems von derartigen Simulationslösungen. Mit ihnen können sie ihre Engineering- und Geschäftsprozesse dynamisch gestalten, was kurzfristige Reaktionen auf Kundenanforderungen und neue Produktionskonzepte ermöglicht. Auch nach Auslieferung einer Anlage steht der digitale Zwilling für Tests von Optimierungen und Adaptionen zur Verfügung – ohne dass die reale Anlage dabei blockiert oder gefährdet würde.
Flexible und kostenoptimierte Engineering-Prozesse
Bei simulationsbasierten Engineering-Prozessen bildet die Zusammenarbeit in abteilungsübergreifenden Teams eine Grundvoraussetzung. In einem ersten Schritt erarbeitet der Softwareanbieter mit den Fachspezialisten eine für das Unternehmen optimale Lösung, die er dann mit den späteren Anwendern durchspielt, etwa in Form der kompletten Inbetriebnahme einer Anlage beziehungsweise seiner kritischen Komponenten. Im Anschluss können die Mitarbeiter ihre Anwendungen erstmals an virtuellen Komponenten vollumfänglich testen. Ihre vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten macht eine Simulation in Steuerungsechtzeit zum vollwertigen Ersatz für reale Systeme samt Sensoren, Aktoren, Antriebstechnik und Sicherheitsfunktionen. Davon profitieren Unternehmen, wie praktische Erfahrungen zeigen, auf vielen Ebenen: Die Inbetriebnahmezeiten an der realen Anlage sinken um bis zu 80 Prozent – was wiederum kürzere Projektdurchlauf- und Hallenbelegungszeiten bedeutet. Gleichzeitig reduzieren sich die Kosten und der zeitliche Aufwand für Produktentwicklungen um bis zu 20 Prozent. Durch das simulationsbasierte Engineering können Anlagen- und Maschinenbauer die Projektgesamtkosten um rund 30 Prozent senken.
Qualität für den gesamten Lebenszyklus
Ein gut eingeführtes Simulationssystem zur Überprüfung der realen Steuerungstechnik in Steuerungsechtzeit spart nachweislich Kosten und Zeit. Und es überzeugt durch die Ergebnisse, die es liefert. Mit derselben Manpower lassen sich reguläre und irreguläre Betriebszustände umfassend testen, die Anbindung des vorab simulierten Systems an übergeordnete Leitsysteme wird deutlich beschleunigt. Am Ende eines solchen Engineering-Prozesses stehen ausgereifte Systeme, die die hohen qualitativen Anforderungen an eine Anlage erfüllen. Eine Simulationslösung entfaltet ihren Nutzen über den gesamten Lebenszyklus vernetzter Anlagen hinweg – bei allen Rekonfigurationen, die im Laufe der Zeit notwendig sind. (ANM)
Der Autor, Dr. Christian Daniel, ist Business Manager Simulation Technology bei der ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH
Bild: Fräszelle, Visualisieurung. Quelle: ISG Industrielle Steuerungstechnik
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