07.12.2015 – Kategorie: Branchen, Hardware & IT
Stadt Linz: Bebauungsplanung mit BIM
Im Wohnungsbau wird seit langem mit 3D-Modellen und anspruchsvollen Visualisierungen gearbeitet. Bauträger, Entscheider, Makler und die späteren Bewohner können sich so schon vorab ein genaues Bild von der Architektur und der Umgebung machen – Monate vor dem ersten Spatenstich. Ganz anders verhielt es sich bisher bei großen Infrastrukturprojekten und städtebaulichen Maßnahmen. Bisher. Von Christian Weiss
Aus Zeit- oder Kostengründen wurde in Infrastrukturprojekten meist auf konventionelle Pläne, Zeichnungen oder die Animation zweidimensionaler Darstellungen zurückgegriffen. Eine oft unbefriedigende Lösung, die vom ungeübten Betrachter viel Fantasie erforderte.
Doch immer mehr Stadtbauämter und Planer verlassen diesen Weg. Dank neuer Anwendungen wie Building Information Modeling haben sich die Möglichkeiten der dreidimensionalen Visualisierung stark verbessert. 3D-Ansichten ganzer Stadtviertel können heute sehr viel einfacher erzeugt und über digitale Medien geteilt werden.
Eine ganze Stadt aus Bits und Bytes
Eine dynamische Stadt wie Linz bewegt sich städtebaulich immer vorwärts. Das erfordert eine detaillierte Planung, vor allem aber die durchdachte Einbettung in historisch gewachsene Gebäudesubstanz. Die zuständigen Stellen haben daher früh damit begonnen, Projekte in 3D zu visualisieren, um die Umsetzbarkeit und Auswirkungen verschiedener Konstruktionsansätze besser absehen zu können. Die Veröffentlichung dieser Modelle erlaubt außerdem die demokratische Teilhabe der Bevölkerung und führt dazu, dass eventuelle Widerstände schon im Vorfeld ausgeräumt werden können. Seit 2013 stellt die Kommune allen Bürgern ein vollständiges 3D-Stadtmodell zur Verfügung.
Ausgewählte Bauvorhaben werden von Beginn an in diesem Modell geprüft. Für die Linzer Stadtplanung lässt sich damit leicht erkennen, ob ein Entwurf beispielsweise zu wuchtig ist und nicht in die Umgebung passt. Verschiedene Varianten ermöglichen es, Vor- und Nachteile einzelner Entwürfe gegeneinander abzuwägen: Welche Auswirkungen hat es, wenn das Gebäude ein Stockwerk höher wird? Wäre es sinnvoll, das Objekt breiter zu bauen und dafür etwas niedriger? Um diese Fragen zu beantworten, müssen lediglich Polygone verändert werden, den Rest rechnet das 3D-Programm selbst.
„Lego für die Großen“
Ein großer Vorteil des Building Information Modeling ist die einfache Handhabung. „Solche Gebäudekörper zu bauen, ist fast ein bisschen wie Lego bauen“, erklärt Günther Perchthaler, Leiter der Grafikgruppe bei der Stadtplanung Linz. Einzelne Elemente können beliebig hinzugefügt und verändert werden. Zur Simulation der Umgebung greift man auf Geodaten oder andere Informationen zurück, zum Beispiel Satellitenbilder oder Punktwolken. Dank fotorealistischer Renderings einzelner Gebäude oder Bauabschnitte bleiben die Vorhaben keine abstrakte Vorstellung mehr. Gerade für Bauherren und politische Entscheidungsträger sind die 3D-Visualisierungen äußerst hilfreich.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Entscheidungsprozesse für oder gegen ein Bauvorhaben wesentlich beschleunigt werden können“, sagt Günther Perchthaler. „Ich zeige in Besprechungen mit Architekten, Bauherren und Kommunalpolitikern meist das 3D-Modell des geplanten Objekts. Oft erstellen wir mehrere Varianten, um abwägen zu können und so die beste Lösung für alle zu finden.“
Bebauungsstudie als Blick in die Zukunft
Im Süden von Linz liegt der Stadtteil Ebelsberg mit der gleichnamigen Schlossanlage. In einer vorhandenen Baulücke im historischen Kern sollte ein neues Gebäude entstehen, das sich harmonisch in die Umgebung einpasst. Ein anspruchsvolles Unterfangen, da gerade bei Baulücken die verschiedensten Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. Um mögliche Umsetzungen zu prüfen, wurden zunächst zwei Machbarkeitsstudien erstellt. Hier stand vor allem die Hanglage des Objekts im Vordergrund – mit welchen Mitteln ließ sich diese schwierige Lage bewältigen?
In dem erstellten 3D-Modell konnten alle Entscheidungsträger sehr schnell bewerten, wo Schwierigkeiten entstehen könnten und wo sich Möglichkeiten zur Optimierung ergaben. „Erst im Kontext mit Umgebung und Nachbarschaft wird ersichtlich, ob sich ein Projekt tatsächlich am vorgesehenen Standort realisieren lässt“, fasst Günther Pechthaler die Bemühungen der Stadtplanung Linz zusammen. Erst nach Prüfung mehrerer Modelle bekam das Bauvorhaben schließlich grünes Licht.
Nachhaltig und wirtschaftlich
Der Einsatz von Building Information Modeling nimmt auch bei der Planung von Infrastrukturprojekten rapide zu. Nach einer internationalen Studie von McGraw Hill Construction wird sich die Zahl der BIM-Nutzer in den nächsten zwei Jahren fast verdoppeln. Für die öffentliche Hand bietet sich hier die Chance, einen Wandel einzuleiten – hin zum schnelleren, wirtschaftlicheren und nachhaltigen Bauen. Veranschaulicht man sich die Finanzsituation vieler Kommunen, dann dürfte ein solcher Paradigmenwechsel von großer Bedeutung sein.
Aber auch die Nutzer profitieren von den Möglichkeiten des Building Information Modeling. Denn hier werden unterschiedlichste Daten in einem Modell zusammengeführt, an dem alle am Projekt Beteiligten gemeinsam arbeiten. So lassen sich Abstimmungsprozesse vereinfachen und Entscheidungen beschleunigen. Die Stadt Linz bleibt auch hier ihrer Vorreiterrolle treu: Ausgewählte Projekte stellt sie inzwischen in die Cloud, so dass alle befugten Mitarbeiter und Entscheidungsträger den jeweils aktuellsten Stand des Projekts einsehen können. (anm)
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