13.12.2021 – Kategorie: GIS & Infrastruktur
Verkehrsmanagement: Weniger Emissionen durch smarte Simulationen
Viele Städte weltweit kämpfen mit hoher Schadstoffbelastung durch den motorisierten Verkehr und Luftqualitätsproblemen. Verkehrssimulationen, die Daten zur Luftqualität enthalten, können dabei helfen, Mobilität und saubere Luft besser in Einklang zu bringen.
Saubere Luft ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, urbane Räume lebenswert zu gestalten. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen und Güter unterwegs, was Städte vor große Herausforderungen in Sachen Verkehrsmanagement stellt. Auch wenn sich die Luftqualität vielerorts in den letzten Jahren stetig verbessert hat, ist der Straßenverkehr heute immer noch die Hauptquelle für Stickstoffoxid-Belastung (NOx) in Städten.
Verkehrsmanagement: Simulation für saubere Luft
Um diese dabei zu unterstützen, solche verkehrsnahen Luftschadstoffe zu senken, haben sich der Karlsruher Softwareentwickler PTV Group und das Technologieunternehmen Bosch zusammengetan. Die beiden Unternehmen bündeln das Know-how von Bosch im Bereich der Messung, Modellierung und Analyse von Luftqualitätsdaten mit der Expertise der PTV in Sachen Verkehrsplanung. Eine erste konkrete Umsetzung der Zusammenarbeit wurden diesen Sommer auf den Markt gebracht: von Bosch erstellte Emissionsberechnungen sind als Zusatzmodul in die Verkehrssimulationssoftware PTV Vissim integriert.
Die Simulationssoftware ist ein Standard-Tool im Bereich der Verkehrsplanung und wird von mehr als 2.500 Städten weltweit eingesetzt. In ihrer virtuellen Umgebung lassen sich realistisch und detailliert das gesamte Verkehrsgeschehen und die unterschiedlichsten Was-wäre-wenn-Szenarien simulieren. Mit Hilfe der neuen Funktion der Emissionsberechnung, können Stadt- und Verkehrsplaner nun im Modell und ohne großen Aufwand überprüfen, ob und wie sich etwaige verkehrliche Maßnahmen wie zum Beispiel eine angepasste Ampelsteuerung, intelligente Verkehrssysteme oder eine unterschiedliche Fahrzeugzusammensetzung auf die Fahrzeugemissionen und damit auf die Luftqualität auswirken.
Basis für die Entscheidungsfindung
Bosch berechnet die Emissionsdaten mit seiner cloud-basierten Air-Quality-Plattform auf Basis umfassender Verkehrsdaten. Grundlage ist ein mikroskopisches Emissionsmodell, das den Schadstoffausstoß auf Einzelfahrzeugebenen berechnet und somit eine sehr feine räumlich Zuordnung der Emissionen ermöglicht. Die Daten sind damit höchstpräzise. Im Test mit realen Fahrzeugen, liegt die Genauigkeit bei >85 Prozent für Stickstoff- und >98 Prozent für CO2-Werte.
Für die Anwender wie etwa Kommunen oder Verkehrsleitstellen ist die Anwendung in der Simulationsumgebung denkbar einfach. Es sind keine externen Tools oder weitere Schnittstellen nötig. Zur Vorbereitung müssen im Datenmodell lediglich vorab in den Basisdaten die Emissionsklassen-Verteilung definiert und diese den verschiedenen Fahrzeugtypen zuordnet werden – also die Annahmen darüber, wie viele Euro-0- bis Euro-6-Fahrzeuge, wie viele Diesel und Benziner etc. sich im zu betrachtenden Verkehrsnetz befinden. Um dies zu erleichtern, sind im System die aktuellen HBEFA-Emissionsklassen hinterlegt, welche die durchschnittliche Emissionsfaktoren und Anteile der verschiedenen Fahrzeugtypen unter anderem für Deutschland, Österreich und die Schweiz liefern.
Bild: PTV
Simulation in der Cloud
Sobald die Emissionsberechnung aktiviert wird, werden mit dem Start der Simulation die Trajektorien von jedem simulierten Einzelfahrzeug automatisch in die Bosch-Cloud hochgeladen. Die entsprechenden Emissionsdaten werden berechnet und zurück in das Modell gespielt. Dort lassen sich CO2- und NOx-Werte, der Partikelausstoß und Kraftstoffverbrauch analysieren und auf vielfältige Art und Weise visualisieren, zum Beispiel im virtuellen 3D-Verkehrsnetz, als AVI-Aufzeichnung oder über Listen und Diagramme.
Szenario-Vergleiche ermöglichen es dann, verschiedene verkehrliche Maßnahmen und ihre Wirkung auf die Luftqualität zu überprüfen. Das ist ein entscheidendes Werkzeug für Anwender – denn Maßnahmen auf der Straße vorab zu testen ist häufig sehr kostspielig, zeitaufwendig oder gar nicht möglich.
Verkehrsmanagement: Auswirkungen von Tempolimits oder Umweltzonen bewerten
Auf der virtuellen Spielwiese lassen sich alle erdenklichen Ideen und Maßnahmen im Verkehrsmanagement ausprobieren. So wird beispielsweise in vielen Städten über eine flächendeckende Ausweitung der Tempo-30-Zonen diskutiert. Welche Effekte hätte dies auf die Luftqualität? Wie würden sich in diesem Fall die CO2- oder NOx-Werte im Vergleich zum Ausgangsszenario verändern?
Ein anderes Beispiel sind Umweltzonen, in denen nur noch Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge zugelassen werden. Wie viele Emissionen könnte dies einsparen? Solche Fragestellungen lassen sich im Simulationsmodell beleuchten und auswerten. Auch in Bezug auf einen weiteren wichtigen Aspekt: die Verkehrsgrößen. Um wie viel erhöhen sich bei Tempo etwa die Anzahl der Stopps der Fahrzeuge, wie ändern sich die Verlustzeiten? Die Anwender haben so die Auswirkungen auf die Emissionen sowie auf den Verkehrsfluss im Blick und können das Für und Wider in ihrer Entscheidungsfindung über bestimmte Maßnahmen im Verkehrsmanagement fundiert abwägen.
Bild: PTV
Viel Potenzial für weitere Entwicklungen im Vekehrsmanagement
„Unser Ziel ist es gemeinsam einen Beitrag zu nachhaltigen und lebenswerten Städten zu leisten. Die Verknüpfung der Daten-Expertise von Bosch mit unseren Analyse- und Simulationstechnologien eröffnet noch viel Potenzial für neue Entwicklungen. Unsere Expertinnen und Experten arbeiten bereits an weiteren innovativen Lösungen, die die Städte in Zukunft dabei unterstützen fundierte Entscheidungen zu treffen, um die Luftqualität zu verbessern“, sagt Christian U. Haas, CEO der PTV Group.
Für die Zukunft planen Bosch und die PTV Group etwa weitere intelligente Tools auf Basis einer gemeinsamen Daten-Plattform. So sollen zum Beispiel auch die von Bosch mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellten Immissionsdaten aus der Bosch Cloud in die verschiedenen Softwarelösungen der PTV integriert werden.
Zudem arbeitet ein Team beider Unternehmen an einem ganzheitlichen „City-Dashboard“, mit dem neben den bisherigen Mobilitätsdaten künftig auch Luftqualitätsdaten in Echtzeit analysiert und visualisiert werden können. Auf dieser Grundlage ließen sich dann auch weitere Fragestellungen rund um Smart-Citys beleuchten, zum Beispiel bezüglich der bestmöglichen Lage von Ladesäulen sowie Lösungen für nachhaltige Mobilitätsangebote und den Transport von Gütern auf der letzten Meile.
Von Jochen Lohmiller.
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