21.03.2023 – Kategorie: Konstruktion & Engineering
Wärmestromdichte: Elektrische Energie durch Körperwärme
Die Mithras Technology AG, ein Schweizer Start-up, entwickelt Systeme, über die die menschliche Körperwärme in elektrische Energie umgewandelt wird. Das Ziel: Der vollkommen autonome Betrieb von Geräten mit geringer Verbrauchsleistung. Umgesetzt wird dies für einen renommierten Uhrenhersteller. Simulationen liefern dazu wertvolle Informationen.
Wärmestromdichte als Lösung: Nie wieder die Batterie einer Uhr wechseln oder den Akku aufladen? Das ist das Ziel des Systems von Mithras, das Körperwärme in elektrische Energie umwandelt. Direkt am Körper getragene Geräte mit kleinen Leistungsaufnahmen lassen sich so autonom antreiben. Die Vorteile: Batterien werden in diesem Segment überflüssig und mit ihnen der CO2-Abdruck, den sie von der Materialbeschaffung über Herstellung, Verpackung, Transport bis zu Entsorgung oder Recycling hinterlassen.
Projekt Uhr: Ohne Batterie zur richtigen Zeit
Mit der Effizienz der Umwandlung wächst das Potenzial der Technologie, zum «Game Changer» für Hersteller von Wearables zu werden. So ist unter anderem ein großer Name der Uhrenindustrie mit konkreten Vorstellungen an Mithras herangetreten, um deren Umsetzung in einer Studie zu ermitteln. Zu klären war am Beispiel eines typischen Produktes aus dem Sortiment des Herstellers:
- Ist autonomer Betrieb durch Körperwärme möglich, wenn die benötigte Leistung für den Betrieb des vorgesehenen Uhrwerks 10 μW beträgt?
- Welcher TEG wird empfohlen unter der Prämisse, dass sich die Bauhöhe der Uhr allenfalls marginal vergrößert und das unverwechselbare Design der Uhrenmarke erhalten bleibt?
Für die Beantwortung dieser Fragen hat sich das Team von Mithras für ein zweigleisiges Vorgehen entschieden: zum einen über den konservativen Weg eines physikalischen Funktionsmusters, zum anderen über ein daraus abgeleitetes Simulationsmodell und eine numerische Analyse in Ansys Workbench. Die Idee: Bei einer weitgehenden Übereinstimmung der ermittelten Werte kann von deren Richtigkeit ausgegangen werden. Zudem wird die Qualität der berechneten Ergebnisse bestätigt. Somit kann Mithras bei Folgeprojekten seinen Kunden mit Simulationen verlässliche Aussagen und individualisierte Entscheidungsgrundlagen für das Set-up der Technologie liefern.
Neben den geometrischen Maßen der Uhr und dem Bauraum für das TEG ist das Wissen über das thermische Verhalten der Haut der entscheidende Faktor. Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten und nur einer einzigen verlässlichen Größe, nämlich die der Kerntemperatur des Menschen von 37°C. Und schon wird es komplex: Haut hat eine Wärmeleitfähigkeit, die sehr variieren kann: Sie hängt ab von Alter, Geschlecht, Genetik oder auch der körperlichen Aktivität eines Menschen.
Haut unter der ingenieurwissenschaftlichen Lupe
Moritz Thielen ist wissenschaftlicher Berater von Mithras und hat sich während seiner Dissertation an der ETH Zürich mit der Wärmeleitfähigkeit der menschlichen Haut beschäftigt. Für die Lösung dieser Herausforderung hat er eine wichtige Vorarbeit geleistet. Abhängig von verschiedenen Aktivitäten, die diese ausführten, hat er bei Testpersonen die Wärmeleitfähigkeit von deren Haut gemessen, dokumentiert und ausgewertet. Innerhalb dieser sehr heterogenen Grundgesamtheit hat Moritz Thielen den Medianwert über alle Testpersonen für jeweilige Aktivitäten berechnet.Aber es gibt noch weitere wichtige Aspekte, die im Modell zu berücksichtigen sind: So tragen die meisten Menschen ihre Uhr nicht eng am Handgelenk. Es gibt also einen nicht zu vernachlässigenden Wärmeübergang zwischen Uhr und Haut. Auch diesen Wert für den thermischen Übergang hat Moritz Thielen in Abhängigkeit vom Anpressdruck ermittelt.
Wärmestromdichte: Messwerte aus Funktionsmuster als Referenz
Das Funktionsmuster für die experimentelle Messung der Konstellation besteht aus einem Sandwich aus Aluminium-Grundplatte (Kollektor), einem doppelten TEG und einer Aluminiumscheibe (Kühlplatte). Es wird von acht Polyamid-Schrauben zusammengehalten. Am Kollektor ist ein Uhrenarmband befestigt. Die Kühlplatte wurde mit weißer Farbe bemalt, um so den Emissionskoeffizienten zu erhöhen. Auf dieser Grundlage wurde im ersten Schritt in einer Vorstudie überprüft, ob es möglich ist, daraus ein Simulationsmodell in Ansys Workbench zu erstellen, das die Messwerte widerspiegelt.
Wärmestromdichte: Vorstudien für Simulation
Anhand des Modells hat man zur Berechnung der Temperaturverteilung in Ansys eine transiente thermische Analyse durchgeführt und die Simulationsergebnisse mit denen aus der Messung verglichen. Im Simulationsmodell mussten weitere idealisierte und zugleich realistische Annahmen getroffen werden: So wurde die Innenseite der Haut als thermische Quelle mit einer konstanten Temperatur von 37°C und für die Senken übliche Werte für Abstrahlung und Konvektion definiert. Bei den Emissionskoeffizienten der Oberfläche hin zur Umgebung oder zu den gegenüberliegenden Flächen verwendete man konservative, also eher kleine Werte für Metalloberflächen. Die Haut erhielt einen Emissionskoeffizienten von nahe 1, wie auch die weiße Farbe. Bei der Konvektion ging man von unbewegter Luft aus. Der Wärmeübergang zwischen Haut und Kollektor wurde im Modell durch speziell definierte Kontakte abgebildet. Diesen Kontakten wurde ein manueller Wärmeleitwert zugewiesen.
Die Temperatur im Gleichgewichtzustand ist für die Wärmeleitfähigkeit der Haut, die dem Median aus der Studie von Moritz Thielen entspricht, leicht geringer als die der Messung. Da der Träger des Funktionsmusters, im Vergleich zu anderen Personen im Team eine Haut mit überdurchschnittlicher Wärmeleitfähigkeit hat, wurde die Simulation mit höherer Leitfähigkeit wiederholt. Die so gesetzten Modellbedingungen spiegelten die Realität im thermischen Gleichgewicht gut wider.
Parametrisches Modell
Danach entstand das Simulationsmodell der Uhr, wobei die Materialwerte der Haut und der spezielle Kontakt von der Uhr zur Haut aus dem Modell des Funktionsmusters stammten.
Es gibt viele verschiedene nutzbare TEGs. Sie unterscheiden sich in der Anzahl der Thermoelemente, deren Querschnitten und Längen. Daher wurde das Modell in Ansys parametrisch mit diesen drei geometrischen Größen aufgebaut. Da sich mit diesen Parametern das gesamte Modell änderte, waren 60 interne, teils recht komplexe Zuweisungen notwendig.
Die geforderte Leistung von 10 μW soll auch dann erzeugt werden, wenn der Träger inaktiv ist. Thermisch ist dies mit einem stationären Zustand vergleichbar, weshalb eine stationäre thermische Analyse genügte. Eine transiente thermische Analyse würde keine relevante Zusatzinformation liefern. Die Quellen und Senken wurden analog zum Modell des Funktionsmusters gesetzt. Für das Glas über dem Zifferblatt wurde ein hoher Emissionswert genommen, da Glas im mittleren Infrarotbereich intransparent ist. Aus den Temperaturverteilungen wurden die Temperaturdifferenzen über den Thermoelementen im TEG extrahiert und damit die gewonnene Leistung. Von den 25 TEGs lieferten elf die notwendige Leistung. Daraus wurde für einen kompakten Einbau in der Uhr der TEG mit der geringsten Bauhöhe bestimmt.
Simulation der Wärmestromdichte statt Trial-and-Error
Mit der thermischen Analyse der Wärmestromdichte in Ansys berechneten die Mithras-Ingenieure schnell die Temperaturverteilungen für verschiedene TEGs. Der Prozess von der Modellierung über die Simulation bis hin zur Auswertung wurde in einem Bruchteil der Zeit bewältigt, die für Konstruktion, Aufbau und Messung der einfachen Funktionsmuster üblich ist. Hier zeigt sich der große Vorteil von Simulationen gegenüber dem Trial-and-Error-Ansatz.
INFO: Wie entsteht elektrische Energie aus Körperwärme?
Eigentlich ist die Gewinnung von elektrischer Energie aus Körperwärme ineffizient. Andererseits: Ob man will oder nicht, der menschliche Körper strahlt im Schnitt täglich 100 W Leistung ab und jedes daraus gewonnene μW ist zu 100% saubere Energie. Es lohnt sich also doch die Wärmestromdichte näher zu betrachten. Die physikalische Grundlage dafür ist die Carnot-Formel, die die maximale Effizienz bei der Gewinnung von Energie aus Wärme beschreibt:
Tw ist die absolute Temperatur auf der warmen, Tk die auf der kalten Seite. Tw ist bei normalen Hauttemperaturen im Bereich von 305 K. Bei einen ∆T von 1 K ist die maximal erreichbare Leistung 0,3%.
Die Umwandlung der thermischen in elektrische Energie erfolgt über einen Thermoelektrischen Generator (TEG). Er hat eine Schlüsselfunktion, reduziert die Effizienz allerdings zusätzlich auf dann noch 0,1%. Wenn man die gesamte Körperoberfläche nutzen könnte, blieben 100 mW übrig. Es geht also darum, das ∆T zu maximieren, um möglichst viel Leistung zu erhalten.
Von Reinhard Müller-Siebert.
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